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Albertas Schatten

Albertas Schatten

Titel: Albertas Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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Sie mir die Nummer.« Kate spürte die Aufforderung zu gehen und kam ihr nach, nachdem sie Biddy ihre Nummer gegeben hatte.
    Sie beschloß, den Rest des Tages mit der Erforschung des Campus und der Stadt zuzubringen. Entmutigt und deprimiert stieg sie in ihren Wagen, fuhr durch die Gegend und versuchte, sich ein gewisses Interesse am Kresge-College und den anderen Colleges abzurin-gen, die sie aus einer Architekturzeitschrift kannte, die Lillian für sie ausgegraben hatte. Es hatte keinen Zweck; ihr war das alles gleichgültig. Schließlich fuhr sie in die Stadt zurück und lief einfach herum; zu guter Letzt kaufte sie ein Sandwich, aß es auf einer Bank auf dem Bürgersteig und beobachtete das vorbeiströmende Leben der Stadt.
    Lillian hatte oberflächlich das Thema Wechseljahre gestreift, das Kate noch auf Jahre hinaus von sich wies; die Frauen, die sie kannte, waren in den Fünfzigern, als sie davon betroffen wurden. Aber war es denn überhaupt ein so entscheidender Wechsel? Ihr schien, als habe sich etwas viel Wichtigeres in ihrem Leben verändert: Die zunehmende Bedeutung von Augenblicken, wie diesem, Augenblik-ke zwischen den Ereignissen; so wie auf dem Kongreß, als so viel zu tun war, und als dennoch im Moment anscheinend nichts getan werden konnte. Zweifellos litten Menschen mit normalen Fulltime-Jobs, Jobs von neun bis fünf mit vielen Überstunden, wie Leo und Toby sie hatten, nicht unter diesem Gefühl, am falschen Ort zu sein. Frü-
    her hatte ich nicht das Gefühl, in der Luft zu hängen, egal, wo ich war, dachte sie. Es gab immer etwas, das sie in Angriff nehmen und tun konnte. Aber was war hier zu tun, in dieser seltsamen Stadt? Es war gut und schön, sich in ein Flugzeug zu stürzen und auf die andere Seite des Kontinents zu fliegen, weil einem dort eine Frau vielleicht etwas zu sagen hatte. Aber natürlich konnte es auch sein, daß die Frau gar nichts sagen will. Die Menschen krempelten nicht ihr Leben um, nur um den Anmaßungen des anderen zu gehorchen. Und es kam Kate vor, als führten Reed und sie ein Leben, das formbarer war, als das der meisten; anpassungsfähiger. Nein, die meisten Menschen ihres Alters waren genauso flexibel, wenn ihre Kinder erwachsen waren, aber irgendwie schienen sie doch eingezwängt in ihre Terminpläne und selbstauferlegten Pflichten. Wir sind weniger fest verwurzelt, dachte Kate, leichter verpflanzbar, vielleicht; neugieriger und eher in der Lage, uns Zeit zu nehmen.
    Diese Gedanken hatten sie unruhig gemacht, sie lief erneut herum und landete fast zwangsläufig vor einer Buchhandlung. Diese Buchhandlung unterschied sich von all den anderen, in denen Kate schon herumgestöbert hatte, schon allein dadurch, daß eine Reihe von Leuten, so lässig gekleidet, daß es schon an Schlampigkeit grenzte, in den schmalen Gängen auf dem Boden saß und las. Sie kaufte einen Roman, der ihr kürzlich empfohlen worden war: ›Tirra Lirra by the River‹ von einer Australierin. Der Titel war ein Zitat aus
    ›Lady of Shalott‹, die die Wirklichkeit immer in einem Spiegel betrachten mußte; tat sie das nicht, würde sie sterben müssen. Anscheinend gab es auch einen neuen P. D. James; Kate kaufte auch ihn. Sie hatte wenig Hoffnung, schlafen zu können, also brauchte sie mindestens zwei Bücher, um die Nacht zu überstehen. Morgen würde sie sich entscheiden müssen: Sightseeing oder zum Teufel damit.
    Als Kate zu ihrem Motel zurückkam, fand sie die Nachricht vor, sie sollte Biddy anrufen. Sie tat es mit so viel Herzklopfen, als erwartete sie die Mitteilung, ob Reed oder sie nun an einer schreckli-chen Krankheit oder nur an einem lächerlichen Wehwehchen litten.
    Biddy war sehr freundlich am Telefon. »Ich möchte mich gern zum Lunch mit Ihnen treffen«, sagte sie, »aber nicht in einem Restaurant.
    Lassen Sie uns ein Picknick machen auf einer wunderschönen, ver-steckten Wiese, die ich auf dem Campus entdeckt habe. Kommen Sie um zwölf Uhr zu mir. Von hier aus können wir zu Fuß gehen. Ich sorge für das Essen. Vielleicht können Sie eine Flasche Wein mitbringen und einen Korkenzieher.«
    Kate war einverstanden und freute sich. Wenn Biddy bereit war, eine Flasche Wein mit ihr zu trinken, so war das ein gutes Zeichen.
    Brot und Wein: Symbole der Kameradschaft – und der Vertrautheit, wenn es dazu kommen sollte. Kate freute sich darauf, ihre beiden Bücher im Flugzeug lesen zu können, und schlief sofort ein.

    13

    K ate folgte Biddy auf einem Waldweg, der plötzlich in eine

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