Albspargel
warnen?
»Sie sind seit einigen Tagen im Ort?«, begann Hauptkommissar Hohwachter.
Ich nannte ihm das Datum meiner Anreise und gab eine Beschreibung meines Auftrags.
»Gut, was Sie tun, begreife ich oder begreife ich auch nicht so genau. Ich bin kein Fachmann für Windräder, sondern für die Ermittlung von Verbrechen.«
»Es wird sich herausstellen müssen, was das eine mit dem anderen zu tun hat«, sagte ich und ging auf seinen Ton ein.
»Wie gesagt, ich brauche Sie nicht als Windfachmann – wahrscheinlich nicht. Ich möchte es eher ausschließen.«
Er redete trocken und sachlich, was mir gefiel. Der Satz: »Ich bin kein Fachmann für Windräder« hätte von mir sein können, nur anders: »Ich bin kein Fachmann für Kriminalistik.«
»Sie können beobachten. Das ist Ihr Metier. Ich brauche Sie als Beobachter. Die verschiedenen Schichten im Dorf, von denen ich gesprochen habe, das ist es, wobei Sie mir helfen können. Das Wetter besteht ja auch aus Schichtungen, soviel ich weiß. Sie können mit Schichtungen umgehen. Gibt es nicht Höhenwinde, Bodenwinde, Fallwinde, Steigungswinde, den Jetstream – alles Windschichtungen?«
Ich lachte. »Und da sagen Sie, Sie seien kein Spezialist.«
»Mein Kollege, Hauptkommissar Steinhilber, würde noch sagen: ›Rückenwind und Gegenwind‹.«
Wir lachten. Es war erleichternd, zu hören, dass es nicht um mich ging. Ein wenig schämte ich mich.
»Gut«, nickte er, »oberste Schicht: reich, arm. Wissen wir weitgehend, Steuerdaten und so weiter: Das Opfer war der Reichste. Darunter dann Berufstätigkeit, auch darüber wissen wir bereits Bescheid. Auch die Altersstrukturen kennen wir. Alterslisten, Männlein, Weiblein und so weiter, alles bekannt.«
Was wollte er dann? Im Übrigen hätte ich zu keiner dieser »Schichten« irgendeine nützliche Beobachtung beibringen können.
»Schälen wir weiter herunter: Wie sieht es mit Freundschaften im Dorf aus und mit Feindschaften?«
»Ich weiß nicht recht«, stotterte ich.
»Das Windrad zumindest«, ermunterte er mich.
»Naturschützer, Umweltschützer, Techniker, Energiebilanzen –«
»Erneuerbare Energien und so weiter«, warf er ein, »wissen wir schon alles: Wer gegen wen, und wer für wen? Ich habe bereits eine Grafik mit Verbindungslinien gemalt.«
Er zeigte mir ein von wirren Linien bedecktes Blatt: Pocherd war im Mittelpunkt, auch Mazzuoli und Fuchslocher konnte ich bei einem flüchtigen Blick entziffern.
»Sie sind Wissenschaftler und haben einen Blick für Wesentliches. Außerdem sind Sie seit Tagen hier, gerade in der kritischen Zeit.« Er schwieg.
Was sollte ich sagen?
Er nahm einen Schluck und schwieg weiter.
Schweigen ist eine hohe Kunst. Ich beherrsche sie nicht oder nur unvollkommen.
»Es gibt da zwei –« Ich stockte entsetzt: Mazzuoli und Jörg Fuchslocher, hatte ich sagen wollen. Ich hätte sie ums Haar belastet.
Beide konnten ein Motiv haben; auch Jörg, wenn er sich betrogen vorkam, wie ich es für Mazzuoli angenommen hatte. Es war mir einfach so in den Kopf gekommen. Ich glaube, dass es auf meine plötzliche Entlastung zurückzuführen war – das überraschende Gefühl der Freiheit.
»Sie beobachten den Wind?«, fragte Hohwachter unvermittelt.
»Ich berechne Modelle«, gab ich zur Antwort.
»Eine schöne Gegend«, sagte er nachdenklich.
»Sie meinen, zu schade für ein Windrad?«
»187 Meter Höhe«, ergänzte er, »Sie als Wissenschaftler dürfen sich von solchen Dingen nicht beeinflussen lassen, ich weiß.«
Er verstand mich. Die Not eines Wissenschaftlers, der mit Folgen konfrontiert wird. Es war bei ihm nicht anders.
»Sie lieben diese Gegend, Sie waren schon einmal hier oben, Herr Dr. Fideler?«
»Schon oft, schon als Kind«, entfuhr es mir, ohne dass ich überhaupt etwas hatte sagen wollen.
»Als Kind?«
Befreit erzählte ich ihm von Onkel und Tante, von Nachkrieg, Hunger und Ernten und allem, was mir gerade einfiel.
Er war ein aufmerksamer Zuhörer, der mich kaum einmal unterbrach. »Aber in den letzten Jahren waren Sie nicht mehr hier, sagen Sie?«
Hatte ich davon geredet? Es ging alles so schnell.
»Ich verstehe, Sie waren überlastet. Seit Jahren Windgutachten für Standorte, eines nach dem anderen. Da blieb natürlich keine Zeit. Schade eigentlich.«
In seinem Gesicht rührte sich nichts. Er sah mich an.
Warum begann ich zu stottern? Es redete aus mir. Ich wollte nicht reden, aber ich redete immer weiter. Von meiner Scheidung redete ich, kaum von Fragen
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