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Albspargel

Albspargel

Titel: Albspargel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
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Sie hatte die Initiative ergriffen und hatte die nötigen Kenntnisse, aber erpressbar war sie, deren Existenz von mir abhing, nicht weniger als ich mit meiner Begierde, mehr über den Tod meiner Geliebten zu erfahren. Wenn man es genau betrachtete, ging es also um ein Handeln auf Augenhöhe und um Gegenleistung.
    So sagte ich kühl: »Wer gackert, muss auch legen, hat meine Tigerfelder Großmutter immer gesagt. Ich befürchte, das Legen ist zuerst an Ihnen. Sie haben Ihr Ei jederzeit parat. Ich muss meines erst aus den Lüften zaubern.«
    Klug wie sie war, würde sie nicht nur begreifen, dass die Vorleistung von ihrer Seite erbracht werden musste, sondern sie musste auch merken, wie schwierig ihre Position dadurch wurde: Ich würde ihre Leistung kennen, wenn es so weit war, und konnte meine Gegenleistung danach richten.
    Hatte ihre Aussage für mich zu wenig Bedeutung, so bekam sie nichts. Auch im umgekehrten Fall, dachte ich und ärgerte mich über mich selbst, konnte man immer noch sehen, wie weit ich ihr entgegenkommen wollte.
    Ich war entsetzt über mich. Solche Dinge auch nur zu denken, war Verrat an meinem Beruf und an meiner Wissenschaft.
    Aber Dr. Hagenbach, zu dem ich unwillkürlich blickte, saß da mit seinen blonden Haaren und betrachtete immer noch versonnenen Blicks das Mädchen durch seine randlosen Pastorengläser. Hatte er die Bestechung oder Erpressung überhaupt mitbekommen?
    »Dann wollen wir mal hören«, sagte ich beiläufig.
    Sie nickte, zögerte, überlegte und sah dann fragend zu Jörg. »Es ist spät geworden, wir dürfen die Herrschaften nicht länger belästigen.«
    Besser hätte es eine Geschäftsfrau in Stuttgart nicht ausdrücken können. Sie war auf Zeitgewinn aus, denn die Zeit würde für sie arbeiten, solange ich das Gutachten noch nicht fertig hatte. Franziska hatte die Zusammenhänge vollkommen begriffen und wusste, dass sie ihr Wissen bis zum letzten Augenblick immer nur stückchenweise von sich geben würde – nach Möglichkeit das wirklich Interessante erst nach der Veröffentlichung meines für sie positiven Urteils.
    »Bleiben Sie doch noch, Franziska, macht doch nichts«, hörte ich Dr. Hagenbach, »es ist ja noch gar nicht spät, noch nicht mal elf Uhr.«
    »Wir müssen gehen, gell, Jörg«, sagte sie und legte den Arm um ihren Verlobten, der, das war mir klar geworden, eine vorzügliche Geschäftsfrau zur Ehefrau bekommen würde, »wir müssen morgen in aller Frühe heraus.«
    Eins zu null für Franziska Fischer. Ich musste mich vorläufig geschlagen geben.
    Wir verabredeten uns alle zusammen auf den nächsten Abend im
Eck
in Aichstetten zum Abendessen. Zuerst hatte Franziska uns zu Jörg Fuchslocher einladen wollen – sie koche uns was Gutes. Aber ich gönnte ihr den Heimvorteil nicht.
    Dr. Hagenbach würde mitkommen und freute sich schon, wie man seinen roten Backen ansah.

April 1525. Tigerfeld brennt! Die Flammen sind von den lodernden Dächern des Dorfes über die Wehrmauer auf das Dach der Kirche des Heiligen Stephanus übergesprungen. Fürstenkanonen haben den Ort in Brand geschossen. Eine Feuersäule steigt in den Albhimmel. Man sieht sie von Münsingen bis Upflamör. Das ganze Dorf brennt nieder.
    Eine Tafel am Hauler Weg, angebracht an einer Mauerpforte des Pfarrgartens, erinnert heute noch daran. Durch diese Pforte entkamen einige der heldenhaften Verteidiger der Freiheit der Bauern. Der Kampf um das Dorf Tigerfeld, geführt mit Sensen und Dreschflegeln gegen die Kanonen und Morgensterne des Bauernschlächters Truchsess von Waldburg aber ging ein in die Geschichte als die »Schlacht von Tigerfeld« am 2. April des Jahres 1525. So wird das große Ereignis heute noch erzählt, und so ist es zu lesen an der Mauerpforte: »Sie suchten die Freiheit und fanden den Tod.«
    Die Tafel beruht auf jungen Legenden, erfunden vor sechzig Jahren von einem Kalenderschreiber und einem Dorfschullehrer. Doch die Wahrheit ist meist bescheidener als die Legende. Die Quellen berichten, dass sich einer der großen Bauernhaufen im späten März des Jahres 1525 im Kloster Zwiefalten festgesetzt hatte. Die Bauern hatten schwer geplündert, waren in goldenen Messgewändern herumstolziert, hatten das Klostervieh an Spießen gebraten und die Weinfässer ausgesoffen. Als ihnen nach wenigen Tagen der Truchsess von Waldburg auf den Leib rückte, flohen die Bauern Hals über Kopf, die meisten ins Lautertal, ein versprengtes Häufchen aber nach Tigerfeld. Es wurde von nachrückenden

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