Albspargel
endgültige Kriegserklärung? Und dennoch spürte ich, wie die wachsweiche Verkleidung, in welche der Angriff gewickelt war, bei mir die beabsichtigte Wirkung tat: Letztlich wäre dieser Herr Hohwachter doch auf meiner Seite, sagte der optimistische Kerl, der irgendwo in mir steckte.
Schweigend fuhr er mich zum Aichstetter Weg und zum Futterhaus meines Onkels, wo er auf dem kleinen Grasplatz vor dem Scheunentor unter dem uralten, schon vor zwanzig Jahren grotesk verzerrten Mostbirnbaum parkte. Der Hochbehälter mit dem Tatort lag einen halben Kilometer Richtung Aichstetten.
Der Kommissar reckte sich. »Ich sollte Ihnen eigentlich meinen Mitarbeiter Hauptkommissar Steinhilber vorstellen«, sagte er, »die Frage ist, ob sich das lohnt.«
»Warum nicht?«
»Weil ich Ihnen seine krausen Theorien auch selbst sagen kann.«
»Nur zu.«
Er berichtete zunächst von den Anschuldigungen der Tigerfelder im Mordfall Amelie Riegeler gegen mich. Ich kannte sie alle. Meine angeblichen Motive und die wunderlichen Theorien, mit denen sie mein Alibi hatten entkräften wollen.
»Das alles ist Unsinn«, versicherte er mir, »ich kenne die Akten. Vergessen Sie es.«
»Danke. Und Ihr Kollege?«
»Der vergisst es auch. Aber
aliquid semper haeret
, wie wir gebildeten Menschen sagen. Etwas bleibt immer hängen.«
Wollte er mich warnen? Vor seinem Kollegen? Vor sich?
»Im neuen Mordfall Pocherd ist das nicht so eindeutig. Das Dorf ist geteilt: Man kann deutlich unterscheiden zwischen den Dörflern, die ein für sie positives Urteil erwarten, und denen, die nicht an Sie glauben oder denen Ihr Urteil gleichgültig ist. Sie sind ja hier so eine Art Gottheit: Ein Gott, der Fluch oder Segen bringt.«
»Und mein Motiv?«
»Darüber kann ich noch nichts Sicheres sagen. Für den Kollegen deutet sich etwas an – alte Spannungen, zum Beispiel zu Pocherds Sohn«, er machte eine Pause, »das alles ist noch windig. Aber er arbeitet daran.«
Mein Mund wurde trocken. Sein Kollege Steinhilber schien ja doch ein findiger Bursche zu sein. Selbstverständlich gab es da Verbindungen. Karl Pocherd war ja mein Rivale bei Amelie gewesen.
Hohwachter hatte mich offenbar beobachtet. »Unangenehm, diese alten Geschichten. Verbindungen gibt es irgendwie zwischen den beiden Mordfällen, zumindest können wir es nicht ausschließen. Aber Gewissheit ist da noch lange nicht.«
Ich hätte nie mehr hierherkommen dürfen!
Der Hauptkommissar machte ein erstauntes Gesicht, als hätte er die Fähigkeiten seines Kollegen erst jetzt entdeckt: »Trotz alledem, manchmal doch ein findiges Bürschlein, dieser Steinhilber«, wiederholte er meine Gedanken, »manchmal staune ich selbst.«
»Soll ich nun Ihre Schauspielkunst bewundern?«, fragte ich offen.
»Ich bin kein Schauspieler, sondern nur Hauptkommissar. Aber Sie haben recht, manchmal lässt sich das nicht so einfach trennen.«
Lagen jetzt alle Karten offen auf dem Tisch?
»Sie haben sich gestern mit Frau Franziska Fischer und Jörg Fuchslocher getroffen?«
Eine weitere aufgedeckte Karte. Wie viele gab es noch? Woher, zum Teufel, wusste Hohwachter von unserem Treffen?
Mein Zögern schien ihn zu freuen. »Es geht mich nichts an: Aber Frau Fischer ist in einem gewissen Zusammenhang für uns interessant.«
Oho! In einem gewissen Zusammenhang.
»Es ist nicht wichtig. Aber das Interesse des jungen Glücks für das Windrad ist so überaus groß. Sollten Sie durch das Mädchen etwas in Erfahrung bringen, was auch uns interessieren könnte, dann möchte ich darum bitten.« Er stieg aus dem Auto. »Noch einmal, das Geschwätz aus dem Dorf nehme ich nicht ernst. Da können Sie beruhigt sein, Herr Dr. Fideler. Mag sich Kollege Steinhilber an diesen Gerüchten von Windbeuteln abstrampeln.« Er machte einige Schritte zum Tatort. Dann drehte er sich wie in einem Colombo-Film zu mir um: »Fast hätte ich es vergessen!«
Es klang ganz beiläufig. Und ich begriff sogleich, dass es sein größter Trumpf war: »Fast hätte ich es vergessen, da ist noch die Sache mit dem Sack.« Er schaute mich fragend an.
»Sack?« Auch ich musste nun Schauspieler sein.
»Ja, wenn Sie es nicht wissen, da haben wir einen Sack gefunden, ganz zu Anfang. Sie wissen, die Spusi sucht natürlich alles gründlichst ab.«
»Einen Sack? Wo?«
»Interessant, dass Sie zuerst fragen, wo wir ihn gefunden haben, Herr Dr. Fideler. Wäre es nicht normal gewesen zu fragen, was es mit diesem Sack auf sich hat? Also zum Beispiel: Was ist mit diesem
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