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Albspargel

Albspargel

Titel: Albspargel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
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Truppenteilen gestellt und nach allem, was man weiß, im Tigerfelder Hart erschlagen – keine Schlacht, ein Massaker. Kaum einer dürfte überlebt haben.
    Noch zweihundert Jahre später soll es im Tigerfelder Hart gespukt haben. Auch fand man beim Pflügen Reste der Waffen und verrottete Ausrüstungsgegenstände.
    Die versprengten Freunde und Verwandten, Kumpane und Genossen, die andere Wege gewählt hatten, rückten weiter nach Norden und erlitten am 12. Mai in Böblingen dasselbe Schicksal.

Ich sollte kaum Gelegenheit zu einer ruhigen Weiterarbeit bekommen.
    Am nächsten Morgen wollte ich mich auf mein Klapprad schwingen. Ich wollte zum Ganswinkel fahren, um dort in Ruhe über das weitere Vorgehen nachzudenken. Irgendwie überlegte ich mir, wie es wohl jedes Erpressungsopfer – war ich eins? – getan hätte, wie ich vermeiden konnte, der Erpressung oder Bestechung nachzugeben und trotzdem von Franziska die beklemmend wichtigen Informationen zu erhalten. Freilich war keinesfalls klar, ob sie wirklich für mich so wichtig waren, wie dieses schlaue Geschöpf mir einreden wollte.
    Dr. Hagenbach würde in der Zwischenzeit in der
Rose
in Pfronstetten vor den Computern sitzen, simulieren und hochrechnen. Was und wie er rechnen würde, war mir nicht ganz klar: Diese junge Frau, Franziska Fischer, würde sie ihn durch ihre bloße Existenz bestechen?
    Ich hatte mich gerade auf mein Klapprad gesetzt, um im Ganswinkel wieder zur Ruhe und wenn möglich auch wieder zur Besinnung zu kommen, als Hauptkommissar Hohwachter erschien.
    »Nur einen Augenblick, Herr Dr. Fideler!«, rief er mir zu, »nur ein paar Fragen. Es ist wie bei Ihnen, eine einzige Antwort zieht einen Rattenschwanz von tausend Fragen nach sich.«
    Ich nickte.
    »Wollen wir eine kleine Spazierfahrt machen?«, fragte er mit fröhlichem Gesicht. »Das Wetter lädt ja heute geradezu ein dazu.«
    Der Regen war einem kühlen, aber sonnigen Zwischenhoch gewichen. Die Luft war kristallklar, herrliche Fernsicht. Vom Wasserbehälter in Aichstetten würde man die Alpenkette heute phantastisch gut sehen können. Aber wer wollte dort die schöne Aussicht genießen?
    Wir fuhren zunächst stumm zuerst durch Tigerfeld, dann am »Schloss« vorbei hinauf zum Ganswinkel, wo ich ihm das Projekt mit Vor- und Nachteilen erläuterte.
    Er nickte immer wieder, sagte aber kein Wort.
    In der klaren Luft zeichneten sich die Höhen um Huldstetten und Geisingen bis nach Upflamör klar ab, auch die entfernteren Horizonte waren frei von Dunst, jeder Baum war zu erkennen. Darüber blau in blau die Kette der Alpen.
    Ich sah plötzlich die Zukunft dieser glänzenden Weite aus Äckern, Hügeln, Wäldern vor mir: Windrad reihte sich an Windrad und vergitterte den Horizont: der gigantischste Einbruch moderner Technologie würde es sein, den dieses seit tausend Jahren nur wenig veränderte Land jemals erlebt hatte.
    Aber ich war Meteorologe, Fachmann für Windströmung und – ich sagte es mir in diesem Augenblick fast gewaltsam – ich war kein Albvereinsvorsitzender oder sonstiger Landschaftsschützer und auch kein Politiker. Ich war verantwortlich für Windprognosen, für die Beantwortung der Fragen nach Wirtschaftlichkeit oder Nicht-Wirtschaftlichkeit und nicht für Schönheit oder Hässlichkeit.
    Dann fuhr Hohwachter mit mir durch das Annaleu über den Winkel zum Hart.
    Weshalb diese stumme Fahrt durch den Tigerfelder Esch? Drüben die einsame Birke auf dem Butzenstein vor dem Auchtweidle, einem Wäldchen, das mit seiner Umgebung einst den Zugtieren als Nachtweide diente.
    Endlich ergriff Hohwachter das Wort: »Mein Kollege Steinhilber hält Sie für verdächtig.«
    Und Sie?, dachte ich, ich weiß es ja längst: Sie halten mich doch auch für verdächtig.
    »Ich bin da anderer Ansicht«, sagte er, »die Sache ist kompliziert.«
    Er hielt mich nicht für verdächtig? Weshalb dann diese Fahrt durch die herbstlich kahlen Äcker?
    »Es ist ein schwerer Eingriff in seine Würde, einen Menschen zu verdächtigen«, belehrte er mich, »hier darf es keinerlei Willkür oder Leichtfertigkeit geben. Ein Verdacht muss bestens untermauert sein, sonst ist es keiner, und man hält besser sein Maul.«
    »Darf ich fragen, was mich verdächtig macht?«
    »Es gibt zwei Morde.« Er lenkte ab. »Sie wissen, Mord verjährt nicht.«
    »Und die bequemste Lösung ist, wenn es für zwei Morde nicht zwei Täter gibt, sondern nur einen.«
    Wir schwiegen.
    »Wir müssen allen Spuren nachgehen, das wissen Sie.«
    Die

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