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Albspargel

Albspargel

Titel: Albspargel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
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gewissen Mittelpunkt in der Dorfjugend, schon bevor er das entsprechende Alter überhaupt erreicht hatte.
    Eine eigenartige Rivalität entstand, die nie ausgesprochen wurde. Wir vertrugen uns, als wir älter wurden, eigentlich immer ganz gut. Es blieb auf diese Weise zwar immer eine gewisse Distanz, aber andererseits waren wir uns sympathisch. Wahrscheinlich traf bei uns das Sprichwort zu: »Gegensätze ziehen sich an.«
    So konnte es kommen, dass er mich manchmal plötzlich gönnerhaft, aber auch mit wirklicher Herzlichkeit im Wirtshaus einladen konnte. »Ich hab’s ja, und dir gönne ich es am meisten.« Das hat er wahrhaftig einmal gesagt.
    Schlecht wurde unsere Beziehung, als ich mit fünfzig auf einmal der Rivale seines Sohnes Karl und als über dreißig Jahre Älterer von einem neunzehnjährigen Mädchen bevorzugt wurde. Fritz verwandelte sich in einen Eisklumpen und kannte mich nicht mehr.
    Dann kam der Mord an Amelie, und das Dorf versteinerte vor meinen Augen.
    Sein plötzlich wieder freundlicher, ja, herzlicher Ton mir gegenüber – war es wirklich nur Mache — aus Opportunismus wegen der Windkraftanlage? Oder, und das glaubte ich deutlich zu spüren, kam doch ein alter Kern zum Vorschein?
    Meine Trauer um ihn war groß.

Es ist schwer zu sagen, warum ich in der Folge meine Prinzipien verriet, den Fachleuten ins Handwerk pfuschte und plötzlich Detektiv spielte. Der Drang, es zu tun, war jedenfalls größer als die Selbstkritik, die mich eigentlich jederzeit von einem solchen Unterfangen abgehalten hätte. Schuldgefühle?
    Dem Ermitteln auf eigene Faust haftet stets etwas Naives an, gerade wenn es Erwachsene sind, die sich als Detektive betätigen. Andererseits hat die analytische Arbeit des Ermittelns ja ihren Reiz gerade für Naturwissenschaftler auch in der Analyse selbst.
    An einem regnerischen Abend gegen neun Uhr, Dr. Hagenbach und ich stellten gerade fest, dass es höchste Zeit sei für einen abendlichen Imbiss, und wollten das Zimmer mit den Computern verlassen, klopfte es an die Türe zu meinem Gastzimmer.
    Es war Jörg Fuchslocher mit einer jungen Dame, in der ich seine Braut Franziska vermutete.
    »Franziska Fischer, meine Braut«, sagte er dann wie erwartet und legte den Arm um sie, während sie den Hals ein wenig in Richtung seiner Schulter bog.
    Sie war ein hübsches, aber schüchtern blickendes Mädchen. Als Erstes fiel mir ihre glatte Haut auf, wie man sie auf der rauen Alb selten findet, dazu dunkle Augen, ein reizvolles, etwas herbes Gesicht. Ihre braunen Haare hatte sie in ein blaues Tuch mit feinen, weißen Punkten gebunden, das nass geworden war und das sie jetzt abnahm.
    Ich war gerührt, als ich sie sah, denn etwas an ihr – ich wusste aber nicht was – erinnerte mich an Amelie. Die schmale Gestalt? Die Bewegung, mit der sie ihr Tuch abgenommen hatte? Die feine Haut? Oder einfach ihre Jugend? Vielleicht würde mich hier oben jedes Mädchen, das neunzehn Jahre alt war, an Amelie erinnern.
    »Wir möchten gerne mit Ihnen reden, Herr Dr. Fideler«, sagte Jörg Fuchslocher linkisch, »etwas bereden.«
    Nachdem ich Dr. Hagenbach vorgestellt hatte und geklärt war, dass er bleiben durfte, wurden wir auch rasch darüber einig, dass das Gespräch nicht etwa unten in der Wirtsstube fortgesetzt werden sollte.
    Amelie – nein, Franziska bot an, für uns etwas aus der Gaststube zu bestellen.
    Jörg begann. Er druckste herum. Und es lief auf das hinaus, was zu erwarten war: »Wird das Windrad gebaut?«
    »Bitte«, ergänzte Franziska.
    Dr. Hagenbach schaute mich fragend an.
    »Bitte«, wiederholte Franziska und reckte das hübsche Kinn vor.
    Sie wirkte jetzt plötzlich nicht mehr so schüchtern. Ich war erstaunt, dass sie, bewusst oder unbewusst, ihre Weiblichkeit einsetzte – immer noch irgendwie naiv, aber auch herausfordernd.
    »Sie müssen es uns sagen«, drängte ihr Freund, »wir müssen es wissen. Ich habe es Ihnen ja schon erklärt, aber jetzt nach dem Mord ist alles –«
    »Das ist nicht so einfach«, sagte Dr. Hagenbach.
    Die beiden blickten ihn an.
    »Sie müssen wissen«, sprach er weiter und bekam rote Backen, »dass wir erstens nicht allein entscheiden. Dass zudem die Auswertungen unserer Messungen noch nicht beendet sind. Ein fundiertes Urteil wird aber erst nach diesen Auswertungen möglich sein. Hierzu gehören auch gewisse komplizierte Simulationsprogramme, die eben ihre Zeit erfordern. Und Sie wissen selbst, wie der Mord, der leider vorgefallen ist, unsere Arbeit, ich

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