Albspargel
Herren, sicher auch sonst noch welche. Doch nur meine wäre Ihnen wichtig.«
Ich erzählte ihnen nun alles, was ich am Mordabend zwischen Tigerfeld und Aichstetten erlebt hatte und ließ nichts aus. Hohwachter unterbrach mich nicht ein einziges Mal. Ich redete und redete. Ich sagte ihm, warum ich nicht gleich und so weiter.
Hohwachter sah zufrieden aus: »Das meiste hatte ich mir schon so ähnlich gedacht.« Er überlegte. »Warum sollten Sie den Pocherd erschießen und dann Ihre DNA auf einen Sack auftragen, den Sie beim Ortseingang von Aichstetten in den Graben werfen, damit ihn die Polizei auch ganz bestimmt findet – ein plumper und dummer Betrug.«
Steinhilber grinste schadenfroh. »Doch wer schweigt, ist verdächtig.«
»Und die Gerüchte über mich?«
»Gerüchte lieben wir. Wir sind süchtig danach«, spottete Steinhilber.
»Jedes Gerücht ist wichtig!«, sagte Hohwachter. »Von außen gesehen, ist es fast immer in einer verletzenden und ärgerlichen Weise verlogen. Aber wenn man geschickt hineinschaut: Innen steckt oft der Edelstein, der wahre Kern, der viel aussagt und viel transportieren kann. Freilich ist es meist so wie mit der berühmten Stecknadel im Heuhaufen.«
»Und der Sack?«
»Verlogen, getürkt!«, meinte Hohwachter. »Jemand will Ihnen die Schuld anhängen. Er weiß, dass Sie kommen, wartet, bis Sie da sind auf Ihrem Klapprad, er schießt, er wirft Ihnen einen Sack ins Gesicht – auf den ersten Blick gar nicht dumm, aber nur auf den ersten – und verschwindet mit dem Auto.«
»Er hat genügend Krimis gesehen, um zu wissen, wie die Sache mit der DNA funktioniert«, lenkte Steinhilber ein.
»Sehen Sie«, sagte nun Hohwachter ruhig und sachlich, fern von jeder Theatralik. Er wusste genau, wo er mich hatte. »Sehen Sie, wir brauchen einen Zeugen. So, wie Sie jeden Windhauch brauchen, sind wir auf kleinste Beobachtungen angewiesen.«
Kriminalhauptkommissar Hohwachter hatte die Schrauben ganz langsam angezogen, sehr fein, und jede Reaktion meinerseits genau beobachtet, jede Nuance. Er hatte wiederum eine raffinierte Methode gebraucht, mich zum Reden zu bringen.
Ich kam mir vor wie ein Esel.
Das abendliche Treffen mit Franziska und Jörg, von dem ich mir viel Aufschluss über Amelies Tod erhoffte, war zunächst eine Enttäuschung. Dr. Hagenbach war in Pfronstetten an den Rechnern geblieben. Ich wollte nicht, dass er den ganzen Mist mitbekam, der ausgebreitet werden würde.
»Ich habe lange überlegt«, begann Franziska und lächelte scheu, »wie ich Ihnen am besten helfen kann, Herr Dr. Fideler.«
Jörg nickte. Er hatte wohl mit überlegt. Aber was nun kam, war nicht sein Werk.
»Ich habe in Geisingen eine Tante, Tante Helene, Frau Strauß, die damals alles aus nächster Nähe erlebt hat. Sie kann Ihnen am meisten sagen.«
»Wir sollten also nach Geisingen fahren«, schloss Jörg.
»Nichts wie hin.«
»Nein«, sagte Franziska, »das braucht Zeit. Sie ist oft bettlägerig.«
Ich erreichte, dass sie mit dem Handy angerufen wurde. Ich hatte fast erwartet, dass die kränkliche Tante keinen Telefonanschluss hatte. Aber Franziska zog ihr Handy heraus und ging vor die Türe.
Jörg rief noch: »Das kannst du doch auch hier.«
Franziska durfte mich nicht enttäuschen, wenn sie das Ziel ihrer Bestechung erreichen wollte. Zeitgewinn, ja – aber dann musste Substanz kommen: Etwas wirklich Verwertbares. Etwas, das Franziska natürlich längst wusste, sonst hätte sie es mir ja nicht als Preis für die Manipulation meines Gutachtens angeboten.
Es war nach sechs, als wir die wenigen Kilometer nach Geisingen fuhren. Am Steuer des Wagens von Jörg, den wir benützten, saß Franziska.
Ich versuchte mein Gewissen zu beruhigen, indem ich ihm versprach, mich nach Möglichkeit gar nicht beeinflussen zu lassen. Vielleicht war ja mein Ergebnis ohnehin positiv für Jörg, dann wäre vor Franziska der Schein gewahrt, und sie müsste mir auf jeden Fall alles – mein Gott!
Der kürzeste Weg von Tigerfeld nach Geisingen geht auf der B 312 über Huldstetten und von dort durch die Breite nach Geisingen. Franziska fuhr anders. Sie nahm von Tigerfeld aus den Hauler Weg, einen geteerten, aber sehr schmalen Feldweg. Bei der Abzweigung zum Winkel kam uns ein riesiger Traktor entgegen, der nur wenig zur Seite wich – auf Feldwegen ist ein Bauer gegen jeden Autofahrer im Recht.
Sie fuhr dann geradeaus zur ehemaligen Kiesgrube im Annaleu, von den Tigerfeldern jahrzehntelang als Müllkippe benützt. Sie hielt
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