Albspargel
einem passenden Knochenmarkspender gesucht, der bis jetzt noch nicht gefunden werden konnte, obwohl die Presse darüber mehrfach berichtet hatte.
Tone Alt, ein reicher Bauer, musste ein, zwei Jahre älter sein als ich; er war Witwer und hatte, wie Anton meinte, wohl den größten Teil seiner Altersvorsorge in die Anlage investiert.
Moritz Wenger hatte Viehwirtschaft, die er aber nur noch nebenher betrieb. Er musste nach meiner Erinnerung über vierzig sein und arbeitete als Leiter im Lager eines Gießereibetriebs in Metzingen. Sein Sohn Klaus Wenger war dabei, den Betrieb auf Ferkelmast auszuweiten. Anton vermutete, dass beide investiert hatten.
Matthias Raischle hatte einen der größten Betriebe im Ort. Er fuhr zweigleisig, wie Anton sagte: Vor dem Ort, Richtung St. Georgenhof, hatte er eine Biogasanlage gebaut, die hoch subventioniert war und beträchtliche Gewinne abwarf. Die vielen Maisfelder um den Ort herum und in Aichstetten und Huldstetten legten das nahe. Gleichzeitig baute er den alten Hof für die Kälbermast aus, was beträchtliche Investitionen notwendig machte.
Den Kronenwirt und Jörg Fuchslocher kannte ich ja bereits.
Sie alle hatten Fritz Pocherd Geld gegeben, das er für sie zum richtigen Zeitpunkt auf die Windkraftanlage übertragen wollte. Wenn Fritz diese Gelder veruntreut oder verspekuliert hätte, dann hätten alle ein Motiv gehabt, ihn umzubringen.
Anton redete auch wieder von Graßner, diesem einst so reichen Bauern; sein Schicksal erschütterte uns beide. Aber die Familie Graßner war für uns unwichtig: Er war tot, sie schwer krank, der Sohn Ernst ein Herumtreiber.
Anton schüttelte den Kopf, als ich nun noch die wichtigsten Verwandtschaftsbeziehungen im Dorf von ihm wissen wollte.
»Wozu willst du das wissen?« Und: »Glaubst du, ich weiß mehr als du?«
»Wer ist verwandt?« Ich blieb hartnäckig. »Ich muss es wissen.«
»Wozu?«
»Ich muss es wissen.«
»Gut, welche Familien meinst du?«
»Eigentlich alle, die mit den Pocherds, Fischers und Riegelers verwandt oder verschwägert sind.«
»Lass das den Kommissar machen. Ich gebe dir einen guten Rat. Misch dich nicht ein. Ich habe dir Auskunft gegeben über die Investoren am Ort, weil dich das als Fachmann interessieren muss. Aber«, setzte er nach einer Pause dazu, »es ist auch nicht ungefährlich.«
»Gefährlich?«
»Sie reden im Dorf.«
»Ich brauche die Verwandten!«
Er zählte auf, nahm die Finger zu Hilfe. Vettern, Basen, Onkel, Tanten, Großeltern und so weiter. Es war nichts darunter, was mir hätte weiterhelfen können.
Dabei blieb es.
Die Pocherds, die Winklers und die Graßners hatten eine gewisse Rolle gespielt, die Fischers waren nicht weiter vorgekommen. Die Verwandtschaft der Riegelers brachte nichts Neues.
»So komme ich nicht weiter.«
»Die Windkraftanlage ist auf Eis gelegt, und das kann meinetwegen so bleiben. Fahr zurück nach Stuttgart. Misch dich nicht ein. Komm wieder, wenn du gebraucht wirst, wenn der Mord an Fritz Pocherd aufgeklärt ist. Und«, er lächelte, »denk an mich, wenn du dein Gutachten schreibst.«
Er wusste nicht, dass dies bereits Sache des Herrn Dr. Hagenbach war.
Im August wurde auf der schwäbischen Alb das Getreide geerntet.
Bis in die fünfziger Jahre hinein kam nach den Vormähern mit ihren Korbsensen zuerst der Onkel, der die Kühe führte. Sie zogen die wunderlich geflügelte Mähmaschine, die mit dem Auf und Ab ihrer rotierenden Flügel die frischgemähten Schwaden nacheinander auf dem Stoppelfeld absetzte. Dahinter die Frauen mit weißen Kopftüchern, die jede Schwade mit einem sichelförmigen Gerät aufnahmen und zu einer großen Hocke zusammentrugen. Danach wir Kinder mit dem Rechen: Kein Hälmchen sollte auf dem Acker bleiben. Zum Schluss wieder der Onkel mit seinem bei Hitze beängstigend blaurot aufgeschwollenen Gesicht, der sich auf die Hocken kauerte, sie mit den Knien zusammenpresste und mit einem Strohseil zu einer Garbe band.
Dann wurden die sehr dicken und sehr schweren Garben zusammengestellt: Die hausartigen Garbengebilde in langen Reihen gaben der Erntezeit ihr Bild, sicher seit tausend Jahren bis noch in meine Zeit.
War der Acker leer, strömten in der Nachkriegszeit aus dem Unterland die Hamsterer herbei, meist Heimatvertriebene, Flüchtlinge, wie man sie nannte, aber auch hungernde Städter. Wer etwas zu tauschen hatte, tauschte es gegen Brot, Butter, Eier, Würste oder Rauchfleisch. Wer nichts zu tauschen hatte, ging auf die abgeernteten
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