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Albspargel

Albspargel

Titel: Albspargel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
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des Sonnenscheines auf dem Wasser.
    »Nein, wir kommen auf dieser Schiene keinen Steinwurf weiter«, bestätigte ich. »Ich tauge zwar offenbar zum Bindeglied, aber diese Verbindung ist nur schlecht.«
    »Oder besser gesagt«, erwiderte Dr. Hagenbach, mutig geworden, »sie liegt nicht auf der Hand.«
    »Nicht auf der Hand?« Meine Stimme, fürchtete ich, wurde wieder unbeherrscht.
    »So meine ich das nicht«, setzte er rasch hinzu.
    »Abscheu«, sagte ich nachdenklich und irgendwie betroffen, »Neid, Zorn, moralische Entrüstung, Eifersucht.«
    »Richtig, jedes Einzelne kann ein Mordmotiv sein.«
    »Dann hätte man aber besser mich ermordet«, lächelte ich, »und was hätte es mit dem zweiten Fall zu tun?«
    Wir einigten uns darauf, dass wir diese Schiene vorläufig nicht weiter verfolgten.
    »Wir können nach den Verwandtschaftsbeziehungen fragen«, schlug Dr. Hagenbach vor, »in Tigerfeld, in Aichstetten, in Pfronstetten oder wie die Dörfer in der Gegend heißen.«
    »Wer ist verwandt mit Amelie Riegeler?« Es fiel mir wieder schwer, den Namen auszusprechen.
    »Und zwar heute noch verwandt, das heißt am Leben. Denn sonst wäre der Zusammenhang für Tante Helene ja bedeutungslos.«
    »Wen können wir fragen? Anton Fendler«, fiel mir sogleich ein, »der hat immer zu mir gehalten.«
    Ich hätte ihn längst fragen sollen, nach allem Möglichen.
    »Wie wäre es mit dem Wirt?«
    »Besser nicht, außerdem ist er aus Pforzheim oder Mannheim oder Palermo. Und besser nicht die Leute aus dem Ort. Es gäbe sofort neuen Klatsch und Tratsch«, wandte ich ein.
    »Das Einwohnermeldeamt«, schlug er vor.
    Aber wir waren uns sofort klar darüber, dass wir dort kaum Auskunft bekommen würden.
    »Die Kommissare wissen das alles doch längst«, überlegte ich.
    »Sollten wir sie nicht am besten einfach mal fragen?«
    »Werden sie es uns sagen?«, gab ich zu bedenken. »Sicher nicht.«
    »Wir könnten sie aber auf dieses Thema bringen. Ist das nicht sogar unsere Pflicht?«
    Sein begeisterter Blick verriet deutlich seine Hoffnung, weiter Detektiv spielen zu dürfen.
    Im Kopf überschlug ich bereits die Namen meiner Verwandtschaft auf der Alb: Bär, Fideler, Hölzer, Baier und wie sie alle hießen. Ich stieß sogleich an Grenzen: Verwandte in Huldstetten, in Kettenacker, in Aichelau – mit wem wiederum waren die alle verschwägert?
    Es war aussichtslos, und ich gab es bald auf: Jeder Mensch hat zwei Großväter, vier Urgroßväter, acht Ururgroßväter, bei jedem von ihnen ist es genauso, und so pflanzt sich die Verwandtschaft nach allen Seiten in die Vergangenheit fort wie die berühmten Körner auf dem Schachbrett; und dabei waren die Großmütter noch nicht einmal einberechnet. Jeder sechste Deutsche oder so ungefähr ist mit Karl dem Großen verwandt.
    »Die Verwandtschaft ist da, das wissen wir«, stellte Dr. Hagenbach sachlich fest. »Alles andere ist eine Frage –«
    »– des Fragens«, sagte ich nüchtern.
    Ich zeigte Dr. Hagenbach die herrliche Klosterkirche in Zwiefalten samt dem Großen Herrgott von Zwiefalten, dem Riesenkruzifix von Syrlin in der Vorhalle. Aber Putten, Gemälde und Statuen von Heiligen, Altäre, Gold und Schnörkel lenkten mich kaum ab von meinen Gedanken.
    »Die geforderte Verwandtschaft«, sagte ich anschließend müde, »bestünde wohl aus den Fischers, den Riegelers und den Pocherds.«
    Im Bus von Zwiefalten zurück nach Pfronstetten sagte Dr. Hagenbach plötzlich: »Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht«, er machte eine verlegene Pause, »dass auch Sie gefährdet sein könnten?«
    »Ich?«, sagte ich trotzig, aber nicht verwundert.
    Ich hatte mir längst tatsächlich Ähnliches überlegt, aber nicht eingestanden.
    »Ja«, setzte er eifrig hinzu. Er wirkte auf einmal noch verlegener. »Ich will es gar nicht aussprechen: Sie sind vielen Leuten verhasst, wie Sie mir selbst sagen, Sie ermitteln – zwar nur heimlich. Aber sicher nicht heimlich genug: Wir fragen herum, wir sind an allen möglichen Plätzen zu finden, auf denen wir eigentlich nichts verloren haben. Rache könnte eine Rolle spielen oder Furcht vor der Entdeckung.«
    Was sollte ich sagen?
    »Ich habe mir lange überlegt, ob der Mordanschlag nicht sogar Ihnen selbst gegolten hat: wegen Amelie oder der Windkraftanlage oder beidem.«
    Er machte eine Pause, aber ich schwieg weiter.
    »Aber so, wie Sie die Mordnacht schildern, scheidet das wohl aus.«
    »So, wie Sie die Sache sehen«, sagte ich trocken, »können auch Sie gefährdet

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