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Albspargel

Albspargel

Titel: Albspargel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
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Felder, die Stoppeläcker, zum Ährenlesen oder zum Betteln auf die Höfe.
    Die Arbeit änderte sich mit den Bindemähern, bei denen Mähen und Binden mechanisch in einem Arbeitsgang erfolgten. Freilich konnte der Mähdrescher nicht von Kühen gezogen werden. Mitte der Fünfziger kamen Traktoren auf. Bauernpferde wurden zu exotischen Tieren in Heimatmuseen.
    Die Garben waren jetzt dünner und viel leichter. Auch sie wurden zusammengestellt. Durchnässte sie der Regen, wurden sie auseinandergeworfen, um zu trocknen; dann wurden sie bis zum Abholen wieder zusammengestellt. Wir Kinder machten uns den Spaß, die beim Auseinanderwerfen der Garben wegspritzenden Mäuse zu zertreten, meist barfuß.
    Das größte Fest aber war die Fahrt hoch oben auf dem Garbenwagen nach Hause, halb eingegraben und geborgen beim Schwanken, Wiegen und Stoßen des Fuhrwerks auf den Schotterwegen. Über uns der blaue Himmel und ab und zu unter den Bäumen das mit viel Geschrei genossene Abenteuer der dunklen Zweige, die uns hinabstreifen wollten.
    Am Abend dann der Schwarze Brei aus gebranntem Dinkelschrot mit einem See aus Schmalz auf der Oberfläche, braune Kruste und gelbe Birnen.
    Die Mähdrescher, die heute die Schwerstarbeit von damals in einem Tag erledigen, erlebte mein Onkel nicht mehr.

Die Ernte der Anleger, der Betreiber, ihre Geldvermehrung, konnten wir vorläufig nicht mit greifbarem Ergebnis vorantreiben. So wanderte ich mit Dr. Hagenbach den Hauler Weg hinab zur Kiesgrube.
    Nieselregen. Die Welt war grau und windstill. Die Sicht wie immer bei Nieselregen sehr verschleiert. Nieselregen ist die einzige Form des Regens, die nicht über Eisbildung entsteht. Wassertröpfchen vereinigen sich in der Wolke so lange, bis sie durch ihr Gewicht zu Boden fallen. Da alle Tröpfchen aber dieselbe elektrische Ladung haben, müssten sie sich abstoßen und könnten auf diese Weise gar nicht entstehen. Dennoch geschieht es.
    Dr. Hagenbach war so sehr Feuer und Flamme für die Ermittlungsarbeit, wie er unsere Tätigkeit nannte, dass ich ihn einmal fragte, ob er nicht den Beruf verfehlt habe. Er hatte sich bei aller meteorologischen Sachlichkeit längst als Romantiker entpuppt. Wenigstens stellte ich mir das unter einem Romantiker vor, wenn ein erwachsener Mensch bei einem Mädchen, das bereits mit einem Anderen verlobt ist, rote Backen und eine schimmernde Brille bekommt und wenn er sich wie ein kleiner Junge fürs Räuber-und-Gendarm-Spielen begeistert. Aber auch sein Blick auf die Welt schien romantisch verklärt. So erzählte er mir auf dem ganzen Hauler Weg mit zunehmender Begeisterung vom Weltall und den neuen Erkenntnissen des Kepler-Teleskops: Allein unser Milchstraßensystem besteht aus hunderten Milliarden von Sonnen, die wiederum von Planeten umkreist werden. Auf Milliarden von Planeten müssten so die klimatischen Verhältnisse denen der Erde ähnlich sein.
    »Das ist aber nicht alles«, ergänzte er, »es gibt Milliarden von Galaxien und in jeder einzelnen wiederum Zigmilliarden von Planeten mit Bedingungen ähnlich denen auf der Erde«, schloss er aufgeregt.
    »Das alles ist nicht neu«, bestätigte er in mein Schweigen hinein, »aber neu ist die Dimension der Zahlen.« Seine Stimme überschlug sich fast: »Hunderte Milliarden von Sonnensystemen allein in unserer Galaxie und dazu in Milliarden von weiteren Galaxien, daher – jetzt kommt das Wichtigste – Milliarden, Abermilliarden, Billiarden, Trilliarden von Planeten, von denen auf jedem einzelnen Leben möglich ist. Gewaltig!«, schloss er. Dann sah er mich erwartungsvoll an.
    »Chapeau!«, sagte ich.
    Natürlich hätte ich einstimmen können in sein Lob. Aber welches Wort wäre geeignet, die Größe der Schöpfung auszudrücken? Und spekulieren über außerirdisches Leben? Nicht mit mir.
    Wir kamen am Feldkreuz vorbei, das mein Onkel vor bald fünfzig Jahren gestiftet hatte. Die Gründung des Holzes war morsch geworden, das Kreuz geriet ins Schwanken, wenn man daran rührte, aber den Leib des Herrn hatte jemand mit frischer Farbe versehen.
    Vor uns lag die Kiesgrube, verwildert, die alten Löcher mit Schutt und Müll verfüllt. Holundersträucher haushoch, Bäume. Es war aber keine Wildnis entstanden, etwa eine Wacholderheide, wie man hätte erwarten müssen.
    Das Gelände unter den Bäumen und zwischen dem Holunder war dennoch nicht leicht zu begehen. Noch jüngst war hier Bauschutt abgeladen worden, überall lagen Ziegel und Steine, an denen noch der Mörtel klebte, alles

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