Albspargel
den Kaufpreis zu drücken.
»Sobald wir mehr wissen, sind Sie aber die Erste, die es erfährt«, sagte Dr. Hagenbach geschickt, »das versichere ich Ihnen.«
Ich nickte freundlich.
Begannen seine Brillengläser wieder zu leuchten?
Es war ein Angebot. Und sie ging darauf ein.
»Lindau«, sagte sie und schaute mir dabei in die Augen, »Lindau, es ist freilich nur ein Gerücht. Ganz Bestimmtes weiß niemand. Aber in Trochtelfingen habe ich Lindau aufgeschnappt, als von dem Selbstmord die Rede war, ganz bestimmt Lindau. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Es ist mir zu unsicher.« Unschuldiger Augenaufschlag.
»Lindau?«, fragte ich.
»Lindau?«, fragte Dr. Hagenbach verwirrt.
»Lindau, mehr weiß ich nicht. Es ist wirklich nur ein Gerücht. Ich glaube nicht, dass Sie damit weiterkommen.«
Sie sah uns erwartungsvoll an: Unser Angebot?
»Lindau ist eine sehr schöne Stadt im Bodensee«, sagte ich, »eine Insel«, und versuchte einer plötzlichen Erinnerung habhaft zu werden.
Lindau? War da nicht etwas mit Lindau gewesen? Wann? Wo? Was?
»Lindau im Bodensee«, wiederholte Dr. Hagenbach völlig sinnlos.
»Und das Gerücht. Wie lautet das? Wir wissen ja dann, dass es ein Gerücht ist, und werden uns danach richten.«
»Wissen Sie, Frau Fischer, an Gerüchten ist oft etwas dran. Und wenn man sorgfältig prüft, kann man das Richtige herausfinden, überlassen Sie das uns.« Dr. Hagenbach redete sich in Begeisterung. »Sie können uns die Geschichte wirklich erzählen. Sie kommt nicht in falsche Hände.« Er faltete die Hände. »Wissen Sie, Franziska, genau das ist die Aufgabe der Wissenschaft, herauszufinden, was an Vermutungen dran ist.«
Es ist zwar komplizierter mit der Wissenschaft, aber falsch war es nicht.
»Ich bin nicht für Klatsch und Tratsch, das müssen Sie wissen«, sagte Franziska zu Dr. Hagenbach mit ihrem schönsten Lächeln.
»Franz Graßner und Lindau. Ist er oft in Lindau gewesen? Besonders oft?«, fragte ich weiter, »hatte er dort Verwandte?«
Etwas Unbestimmtes regte sich in mir. Ich kannte das: Es setzte sich zusammen aus einer ganzen Welt von Erinnerungen, Schlüssen, Vermutungen, Kenntnissen, Meinungen; und es hatte Wucht, was sich da regte.
Was ist in Lindau?, wollte ich fragen. Außer dem kleinen Hafen mit einer Einfahrt zwischen dem bayrischen Löwen und einem kleinen Leuchtturm. Andererseits: Sie erwartete ein Angebot von unserer Seite, nachdem sie ihres abgegeben hatte. Aber in mir erwachte Trotz, und ich schwieg.
»Ich muss Sie dann bedauerlicherweise schon bitten zu gehen. Ich habe noch zu tun. Es tut mir sehr leid. Vielleicht ein anderes Mal. Ich muss noch einiges für meinen Verlobten vorbereiten. Es war sehr nett mit Ihnen beiden. Besuchen Sie uns bitte doch recht bald wieder!« Reizendes Lächeln.
Franziska redete, wie eine Hausfrau am Herdweg in Stuttgart geredet hätte, und beendete das Gespräch an der spannendsten Stelle.
Lindau war ein Angebot. Franziska hätte diese Stadt nicht ins Spiel gebracht, wenn sie nicht wichtig wäre. Das war ein Punkt, an den man sich halten konnte. Aber wozu? Was brachte es uns, wenn wir wussten, warum Franz Graßner sich aufgehängt hatte? Aber wir mussten es herausfinden. Ein Gefühl, mehr nicht, ich achtete plötzlich auf derartige Gefühle.
»Was soll es uns denn helfen, wenn wir die Ursache des Suizids kennen?«, zweifelte auch Dr. Hagenbach.
»Ich weiß nicht. Wir sollten es herausfinden. Warum? Keine Ahnung«, sagte ich und versuchte ebenfalls so trocken zu reden wie mein Kollege.
»Franziska weiß etwas, aber sie versucht es wieder mit Bestechung.«
»Lindau«, sagte Dr. Hagenbach, »in Wimsen.«
»Lindau in Wimsen? Was soll das?«
»Lindau und Wimsen, da war etwas.« Dr. Hagenbach redete schneller: »Als ich das Wort Lindau gehört habe, ist mir sofort Wimsen eingefallen.«
Ich sah uns sitzen – der Mühlenteich, das Geräusch des Wehres, die Kinder, die Enten, Hühner, Meisen und Spatzen, die bunten Schirme, der Sonnenschein, Gedudel von Musik. Lindau am Bodensee, ich hatte das irgendwo gelesen.
»Das Plakat«, fiel es mir plötzlich ein.
»Richtig, bravo! Das Plakat an dem Scheunentor«, erinnerte sich nun auch Dr. Hagenbach, »ein sehr buntes Plakat, ganz unpassend in dieser Umgebung.«
»Lindau stand darauf, ganz richtig«, wusste ich wieder.
»Ist das nur Zufall?«
»Das ist jetzt nicht die richtige Frage«, stellte ich fest, »wichtig ist, was daraufstand?«
»Was steht schon auf einem Plakat. Werbung
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