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Albspargel

Albspargel

Titel: Albspargel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günther Bentele
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Fideler, sollten am ehesten wissen, was Verfolgung bedeutet. Schämen Sie sich.«
    Damit schaltete er seine Lampe aus, stieg in das Auto, wendete, wobei wir zu tun hatten, dass er uns nicht erwischte, und fuhr zurück auf den Hauler Weg und nach Tigerfeld.
    Wir standen wie betäubt und suchten schließlich noch, um nicht wie völlige Idioten dazustehen, die Feuerstelle ab, doch wir fanden nur Glut, keinen Schnaps und erst recht keine Drogen. Keine nächtlichen Exzesse.
    Der Hof der Graßners lag am Rand des Dorfes Richtung Huldstetten unten am Briel. Das Briel ist ein Loch im Dorf, eine Doline, ein Schluckloch, genauer gesagt ein großer, fast kreisrunder, grasbewachsener Kessel, in den ein ganzer Bauernhof passen würde. Das Besondere am Briel ist, dass alles Wasser, das hineingelangt, am Grund in ein offenes Loch fließt, das mit einem Gitter abgedeckt ist. Das Wasser nahm auch allerlei Unrat mit, den die Bauern früher in das Loch warfen. Heute ist das verboten. Aber wer hält sich daran? Das Wasser kommt in der Wimsener Höhle wieder zum Vorschein, so wurde in Tigerfeld immer gesagt. Heute ist das nachgewiesen.
    Ich erzählte Dr. Hagenbach vom Niedergang des einstmals reichsten Hofes im Dorf, dem Elend der Familie Graßner, dem Suizid des Vaters, eines alten Spielkameraden von mir, und vom Sohn, den wir soeben kennengelernt hatten und der weit und breit als Herumtreiber galt.
    Als solcher war er mir aber nicht vorgekommen. Im Gegenteil, er hatte auf mich Selbstbewusstsein und eine ganz unerwartete Würde ausgestrahlt.
    »Er hat uns die Autos beschmiert.«
    »Ja«, sagte ich nachdenklich, »er und sein Freund aus Kettenacker wollen uns offenbar weghaben von hier.«
    »An den nächtlichen Exzessen führt nichts vorbei«, beeilte sich Dr. Hagenbach, »da kann Herr Graßner Junior noch so eindrucksvoll daherreden und uns als Schnüffler bezeichnen.«
    »Heute keine Drogen«, fasste ich zusammen, »und kein Alkohol, aber ein Feuerchen und sehr laute Musik. Was sich halt so Musik nennt.«
    »Feuer ist weit zu sehen.«
    »Und diese Musik weit zu hören«, ergänzte ich.
    »Beides also war nur für uns veranstaltet«, schloss Dr. Hagenbach.
    »Nur wegen uns«, stimmte ich ihm beschämt zu, »wir sollten genau das tun, was wir gemacht haben. Nämlich bei Nacht und Nebel in die Kiesgrube schleichen und Indianer und Cowboy spielen.«
    »Warum?«
    »Ein weiterer Versuch, uns loszuwerden?«
    Mir reichte diese Erklärung nicht. »Theater, wenn auch nur mit einem Akteur. Warum, ist nicht sicher. Sie hätten es ja verschieben können, wenn einer verhindert ist. Das Stück hat aber einen bestimmten Namen, den wir nicht wissen, und da reicht die Erklärung, dass sie uns loswerden wollen, nicht aus.«
    »Er hat die Schmiererei an unseren Autos zugegeben.«
    »Und das ganz ohne Not.«
    »Wären Sie darauf gekommen?«
    »Wer die Schmierereien gemacht hat? Sicher nicht.«
    »Nun ja. Warum gibt der Kerl es dann zu und sagt uns sogar seinen Namen?«, fragte Dr. Hagenbach, »denn dass wir den des Freundes bereits kennen, wusste er ja schon.«
    Wir gingen stumm die Viertelstunde vom Annaleu hinauf zu den Buchenwäldern, in die der Winkel wie ein großes Dreieck eingeschnitten ist und wo mein Auto stand – immer noch mit der Schmiererei »Haut ab!«
    »Nein«, sagte ich nach langem Schweigen, »die Oper, die er uns gesungen hat, heißt nicht Vertreibung von Meteorologen aus Tigerfeld, sie heißt«, ich überlegte lange, »am besten passt wohl Würde, ja es klingt blöde, aber ich meine, Würde wäre der richtige Titel.«
    »Würde?«
    Wir waren stehen geblieben. »Er wollte uns von seiner Persönlichkeit überzeugen. Sicher ein pubertärer Versuch, aber ein beachtlicher.«
    »Und warum? Wie haben Sie es genannt? Oper?«, fragte Dr. Hagenbach unsicher.
    »Ja, Seifenoper, es soll ja auch Spaß machen wie alles in diesem Alter.«
    »Ich habe noch nie gehört, dass Mitglieder nächtlicher Komabesäufnisse ihre Namen plakatieren!«, sagte Dr. Hagenbach schließlich. »Ungewöhnlich!«
    »Abgesehen von der Oper war es eine Lehrstunde.«
    Ich sagte es beschämt und mit Respekt.

Das Dorf hatte seine Sensation gehabt und genossen, wie jedes Dorf sie genossen hätte. Die erste Aufregung um den Tatort war verflogen. Schon das Wort Tatort war faszinierend gewesen. Dazu die vielen Journalisten mit ihren Fragen.
    Alltag kehrte wieder ein im Ablauf des kriminalistischen Geschehens: Die Journalisten waren verschwunden, die Berichte im Fernsehen blieben

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