Albtraum
Beauregard zog an seiner Leine, blickte sein Herrchen an und bellte. Joe seufzte. „Er gibt keine Ruhe, fürchte ich. War schön, mit Ihnen zu plaudern, Kate.“
Kate sah ihren Nachbarn davongehen, ein beklommenes Gefühl in der Magengegend. Joe hatte also Richard mit der jungen Frau von der Schaukel gesehen? Wer konnte …
Julianna! Natürlich!
Warum war ihr das nicht früher aufgefallen? Julianna war jung wie eine Studentin. Sie hatte dieselbe Haarfarbe und Frisur wie sie.
Aber wenn ihr Nachbar sich nicht irrte und Julianna wardie Frau von der Schaukel, was hatte sie dann Wochen, bevor Richard sie einstellte, auf ihrem Grundstück zu suchen gehabt?
Und was hatte Richard mitten am Tag mit seiner Assistentin hier im Haus verloren? Kate lächelte Joe etwas gezwungen nach und winkte. Die Richtung ihrer Gedanken missfiel ihr außerordentlich.
Sicher hatte Richard, der gerade vorfuhr, eine vernünftige Erklärung für alles. Er stieg aus und kam über den Rasen auf sie zu. „Hallo, Schöne“, grüßte er. „Was tust du?“
„Ich rette die Stiefmütterchen.“ Sie musste an Joes Bemerkung denken, und ihr Lächeln schwand. „Wie war dein Tag?“
„Hektisch.“ Er nahm Emma samt Sitz hoch, während Kate den Gartenschlauch aufrollte.
„Joe sagt, er hat dich gegen Mittag hier gesehen.“ Sie hängte den Schlauch auf die Halterung am Haus, und sie gingen zusammen um die Hausecke.
„Ich hatte meine Notizen zum Miller-Fall vergessen.“
„Joe sagt, Julianna war bei dir.“
„War sie. Wir waren auf dem Weg zum Lunch mit dem Verein Mütter gegen Trunkenheit am Steuer. Da wir hier vorbeikamen, hielt ich an, um meine Notizen zu holen.“
Also war es wirklich Julianna. Was hat das zu bedeuten?
Kate hielt Richard die Tür auf. Er trug Emma in die Küche und stellte den Strampelsitz auf den Boden. Die Versuche der Kleinen, seine Aufmerksamkeit zu erringen, ignorierend, ging er zum Tresen und öffnete eine Flasche Wein. „Möchtest du ein Glas?“ fragte er Kate.
„Nein, danke.“ Sie ging zu Emma, löste sie aus dem Sitzgeschirr und nahm sie hoch. „Könntest du mir stattdessen bitte einen Eistee machen?“
„Sicher.“ Während er sich Wein einschenkte, sagte er amüsiert: „Dieser neugierige alte Knabe. Man sollte meinen, er hätte Besseres zu tun, als seine Nachbarn zu bespitzeln.“
„Er hat nicht bespitzelt, Richard. Er ging zufällig mit Beauregard vorbei und sah dich.“
„Dann ist er gleich zu dir gelaufen und hat dir erzählt, was er gesehen hat. Das klingt für mich nach Bespitzeln.“
Kate suchte in Emmas Windeltasche nach dem Schnuller. „Er hat es nur erwähnt, weil ich ihn vor einigen Wochen noch mal nach dem Mädchen auf unserer Schaukel gefragt habe.“
Richard runzelte kurz die Stirn, als bemühe er sich, die Zusammenhänge zu verstehen. „Ach das. Aber was hat das mit seiner Beobachtung von heute zu tun?“
„Joe behauptet, das Mädchen, das er heute mit dir sah, sei die junge Frau, die damals auf unserer Schaukel war. Er ist sich dessen sicher.“ Als ihr Mann sie nur verständnislos ansah, fügte sie ungehalten hinzu: „Erkennst du denn nicht, wie sonderbar das alles ist? Warum war Julianna auf unserer Schaukel, und zwar Wochen, bevor du sie kennen lerntest?“
„Das ist doch lächerlich. Du hörst eher auf einen alten Kauz als auf deinen Mann?“
„Aber was hat das denn mit dir zu tun? Wir reden von Julianna!“
„Und ich sage dir, Joe irrt sich.“
Als er mit seinem Wein weggehen wollte, vertrat sie ihm den Weg und sah ihn herausfordernd an. „Wie kannst du dir dessen so sicher sein? Ich habe dir schon mal gesagt, etwas stimmt nicht mit Julianna. Ich traue ihr nicht. Ich glaube, sie ist nicht ehrlich.“
„Um Himmels willen, das ist doch verrückt. Sie ist klug und nett und eine verdammt emsige Arbeiterin. Ich vertraueihr völlig und glaube, sie hat nicht den Funken Unehrlichkeit im Leib.“
„Und wenn sie doch auf unserer Schaukel war? Warum verteidigst du sie überhaupt?“
„Warum denn nicht? Ich glaube, du bist nur eifersüchtig.“
„Eifersüchtig!“ wiederholte sie schockiert. „Warum sollte ich auf deine Assistentin eifersüchtig sein?“
„Warum wohl? Sie ist jung, attraktiv und ungebunden.“
Kate stockte der Atem. Seine Erwiderung traf sie wie ein Schlag. „Ungebunden, Richard? Glaubst du, das wünsche ich mir zu sein?“
„So habe ich das nicht gemeint.“
„Was hast du dann gemeint? Vielleicht bist du es, der sich danach sehnt, wieder
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