Albtraum
ungebunden zu sein.“
„Ich höre mir das keine Sekunde länger an.“ Er drängte sich an ihr vorbei. Etwas Wein schwappte über das Glas und klatschte auf den Dielenboden.
„Schuldbewusst, Richard?“
Er blieb stehen und drehte sich langsam zu ihr um. „Was soll das denn heißen?“
„Das, wonach es klingt.“ Sie atmete tief durch, um sich Mut zu machen. „Betrügst du mich mit Julianna? Gibt es deshalb so viele Blumen, Geschenke und Liebeserklärungen?“
„Vielen Dank“, erwiderte er steif. „Es ist gut nach all den Jahren zu hören, was du wirklich von mir hältst.“
Sie reckte trotzig das Kinn vor, nicht bereit, von ihrem schrecklichen Verdacht abzulassen, obwohl sie es gern getan hätte. „Betrügst du mich, Richard? Mit Julianna … oder einer anderen?“
„Ich kann nicht glauben, was ich da höre. Ich kann nicht glauben, dass du mich das fragst.“ Er machte einen Schritt aufsie zu. „Was ist los mit dir? Seit wir Emma haben … hast du dich verändert.“
„Habe ich nicht. Du hast dich …“
„Ich bin nicht der, der nicht mehr ausgehen mag. Ich bin nicht dauernd müde. Ich bilde mir auch nicht ein, jemand schleiche sich ins Haus, stehle Fotos und lasse den Schmuck unbeachtet zurück. Ich werfe nicht einem völlig ehrlichen und hart arbeitenden Mädchen vor, unehrlich und manipulativ zu sein. Und ich bin gewiss nicht der, der seinen Ehegatten nach zehn Jahren Ehe der Untreue bezichtigt.“
Er ging weiter in den Wohnraum. Kate folgte ihm mit Tränen in den Augen. Sie erkannte, dass er Recht hatte. Sie benahm sich paranoid wie eine besitzergreifende, eifersüchtige Ehefrau. Sie benahm sich wie der Typ Frau, den sie immer verabscheut hatte.
„Richard!“ Sie holte auf. „Warte bitte.“
Er blieb stehen und drehte sich zu ihr um. „Es hat mal Spaßgemacht mit dir, Kate. Du warst zufrieden mit dir, mit unserem Leben und mit mir. Was ist nur passiert? Ich kenne dich nicht mehr wieder.“
54. KAPITEL
Kate erwachte, als es donnerte. Regen klatschte an die Fenster und trommelte aufs Dach. Während sie sich zum Sitzen aufrichtete, erhellte ein Blitz das Halbdunkel.
Richard war bereits auf, wie sie merkte. Allerdings hatte sie nicht mitbekommen, dass er aufgestanden und gegangen war. Sie streckte die Hand aus und berührte sein Kissen. Es war kalt. Seufzend fragte sie sich, ob er heute überhaupt mit ihr reden würde, ob ihre Ehe noch eine Woche hielt, geschweige denn einen Monat.
Sie hatte schlecht geschlafen und spürte es. Der Streit mit Richard war ihr immer wieder durch den Kopf gegangen. Sie war entsetzt über ihre Vorwürfe und den Zustand ihrer Ehe.
In der Nacht hatte Richard starr neben ihr gelegen. Mehrfach hatte sie ihn zu berühren versucht und leise um Verzeihung gebeten. Doch jedes Mal hatte er sich ihr entzogen.
Das schmerzte mehr, als sie ertragen konnte.
Sie stieg aus dem Bett und ging ins Bad. Heute konnte sie nicht lang schlafen. Obwohl Emma nicht da war – Richards Mutter hatte darauf bestanden, sie zu nehmen, und hatte sie gestern Abend noch geholt – musste sie früh aufstehen, um das „Uncommon Bean“ zu öffnen. Regentage zogen ihre Gäste geradezu magisch ins Café. Was gab es Schöneres, als einen verregneten Morgen mit einem Freund oder einem Buch bei einer guten Tasse Kaffee zu verbringen?
Kate fuhr sich müde mit einer Hand über die Augen. Ein Segen, dass sie heute nicht auch noch für Emma sorgen musste. Erschöpft und kummerbeladen, wie sie war, hätte sie kaum die Kraft für bei des aufgebracht: Emma und den Samstagsandrang im Cafe.
Sie duschte, zog sich rasch an und ging hinunter, um einen Kaffee zu trinken. Dort entdeckte sie, dass Richard bereits gegangen war.
Er hatte keine Nachricht hinterlassen.
Dieses kleine Versäumnis sprach Bände. Tränen brannten ihr in den Augen. Plötzlich kam ihr das Haus zu still vor. Der Regen war enervierend anstatt beruhigend, und der Donner quälte sie.
Sie beschloss, ihren Kaffee erst im Bean zu trinken, schnappte sich Handtasche und Regenmantel und eilte ins Gewitter hinaus.
Minuten später hielt Kate hinter dem „Uncommon Bean“ und blieb noch im Wagen sitzen, um eine Pause im Wolkenbruch abzuwarten. Die Wischer flogen auf höchster Stufe hin und her, trotzdem konnte sie kaum etwas sehen. Nicht mal die Hintertür des Bean, die fast auf ihrer Höhe lag.
Endlich ließ der Regen etwas nach. Sie stieß die Wagentür auf und eilte, Schlüssel in der Hand, zum Haus. Prompt landete sie mit einem Fuß in
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