Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Albtraum

Albtraum

Titel: Albtraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Spindler
Vom Netzwerk:
liebte, hatte sie auch nur diesen kleinen Raum beanspruchen dürfen und sonst nichts.
    Sie wollte mehr. Sie wollte leben wie Kate.
    Ärgerlich wischte sie sich die Tränen ab und sah auf die Akte in ihrem Schoß. Sie hatte von Richards Kindheit gelesen, von seiner Familie, seinen Träumen und Erwartungen. Sie teilte seine Hoffnungen für die Zukunft, seine Ansichten zu Liebe, Ehe und Elternschaft.
    Sie schlug das letzte Blatt um und merkte, dass sie zitterte.Er brachte ihre Gedanken zum Ausdruck, ihre Hoffnungen, Träume und Gebete. Dieser fremde Mann wusste, was in ihrem Herzen und in ihrem Kopf vor sich ging. Es war, als kenne er sie. Als wären sie irgendwie miteinander verbunden, eine einzige Person, getrennt durch Zeit und Schicksal.
    Richard und Julianna.
    Sie ließ seinen Namen auf der Zunge zergehen, sagte ihn laut, sprach ihn zusammen mit ihrem aus. Ihre Namen klangen … gut zusammen, als gehörten sie zueinander. Und während sie sie immer wieder vor sich hin sagte, verstand sie plötzlich ihren bisherigen Lebensweg. Alles ergab Sinn. Deshalb war sie schwanger geworden, deshalb hatte John sie vertrieben. Das Schicksal hatte sie hierher geführt. Sie glaubte an Schicksal und Vorbestimmung. Richard und Julianna, sie waren füreinander bestimmt.
    Sie legte das Persönlichkeitsprofil beiseite und nahm das dazugehörige Fotoalbum zur Hand. Sie ließ die Finger über den geprägten Ledereinband gleiten, fast ängstlich, das Album zu öffnen. Vielleicht weil ihre Gefühle so neu und beängstigend waren. Weil sie glaubte, ihrer Zukunft begegnet zu sein. Ihrer Zukunft mit Richard.
    Aber Kate war ein Problem. Sie wünschte ihr nichts Schlechtes. Schließlich gehörte Kate auch zu dem Puzzle, das sich plötzlich zusammenfügte. Wenn Kates dringender Wunsch nach einem Kind nicht gewesen wäre, wie hätte sie selbst dann Richard kennen lernen sollen?
    Julianna betrachtete die einzelnen Fotos und las den dazugehörigen Text. Kate und Richard beim Skilaufen in Aspen, beim Segeln auf dem Lake Pontchartrain, auf Urlaub in den Tropen. Die Arme umeinander gelegt, lächelnd, einander in die Augen sehend.
    Sie betrachtete die Bilder, einen Kloß im Hals. Kate war nicht umwerfend hübsch, auch nicht klassisch schön. Aber sie hatte Klasse und wirkte klug. Nicht wie ein kleines Mädchen, nicht abhängig von anderen, nicht wie eine aufgedonnerte Glamour-Königin.
    Sie berührte Kates Bild mit einem Finger. Sie war die Frau, in die sich ein Mann wie Richard verliebte, die seine Partnerin und Geliebte war.
    Eine Frau, die all das Gute verdiente, das sie hatte.
    Julianna runzelte die Stirn. Sie war eifersüchtig und verunsichert. Aber dazu bestand kein Grund. Sie war hübscher als Kate, jünger und sexier. Klasse konnte man erwerben, Bildung vortäuschen.
    Wenn sie wollte, konnte sie so sein wie Kate und all das bekommen, was sie hatte.
    Sie wandte ihre Aufmerksamkeit noch einmal den Fotos zu, und vor ihrem geistigen Auge trat sie an die Stelle von Kate. Ja, sie würde werden wie Kate und ihren Besitz beanspruchen. Sie musste es nur wollen.

12. KAPITEL
    Die Gästeschar des „Uncommon Bean“ bestand am Samstagmorgen hauptsächlich aus Collegestudenten und Singles. Studenten kamen, um sich mit Freunden zu treffen oder zu lernen, die Singles trafen sich mit anderen Singles.
    Das waren die Gäste, die doppelten Cappuccino und Mokka bestellten, und das Geschäft lief gut. Seit dem Öffnen waren weder Kate noch Blake oder Tess vom Tresen weggekommen, es sei denn, um die Tische in Ordnung zu bringen.
    „Wir haben keine Hörnchen mehr“, sagte Blake und legte das letzte auf einen Teller. „Und wenn das so weitergeht, haben wir bald auch keine Croissants und Muffins mehr.“
    „Was ist los heute Morgen?“ Tess schob sich das blonde Haar hinters Ohr. „Haben wir Feiertag oder was? Ich habe noch nie so einen Andrang erlebt.“
    „Ich denke, es liegt am Wetter“, erwiderte Kate, dankte einem Gast und gab ihm lächelnd das Wechselgeld zurück. „Jeder will aus dem Haus raus, wenn es so schön ist.“
    „Ich nicht.“ Tess legte eine Hand über die Augen. „Ich wäre jetzt gern zu Hause im Bett bei zugezogenen Vorhängen. Dann würde ich mindestens bis drei schlafen. Ich schwöre.“
    Kate warf ihr einen halb mitfühlenden, halb empörten Blick zu. So wie Tess heute Morgen aussah, hatte sie vermutlich bis in die Morgenstunden auf einer Party durchgemacht.
    Tess nahm lächelnd die Bestellung eines Paares am Tresen entgegen und

Weitere Kostenlose Bücher