Albtraum
räume die Tische ab.“
Kate sah ihm mitfühlend nach. Blake hatte kein leichtes Leben gehabt. Er musste gegen Diskriminierung und Intoleranz auch aus der eigenen Familie ankämpfen. Wie alle Menschen sehnte er sich nach Liebe und Anerkennung, doch sein Herz war mehr als einmal gebrochen worden. Trotz seines bissigen Humors und seiner sarkastischen Zunge war er tief im Innern ein Seelchen mit einem Herzen aus Gold.
„Aber empfandest du bei Richard nicht genauso, Kate?“
Kate wandte sich Tess zu und dachte fünf zehn Jahre zurück an ihre erste Begegnung mit Richard und an die folgenden Wochen und Monate, als ihre Liebesgeschichte begann. Sie warwie benebelt gewesen, überschwänglich und auf Wolke sie ben. Die Erinnerung ließ sie lächeln. „Ich glaube ja. Früher mal.“ Tess machte daraufhin ein so enttäuschtes Gesicht, dass Kate lachen musste. „Niemand ist gestorben, Tess. Du musst verstehen, dass Liebe und Ehe aus mehr bestehen als dem Gefühl, das du beschreibst. Da geht es um Verantwortung, Teilen und Vertrauen. Es geht um die gemeinsame Arbeit, sich ein gutes Leben aufzubauen. Es geht um Familie. Was du beschreibst, ist ein neues und aufregendes, aber flüchtiges Gefühl.“
„Dann bedauere ich dich.“
„Nicht nötig, denn so ein Leben ist unglaublich lohnend und befriedigend.“ Doch noch während sie das mit Überzeugung sagte, beschlich sie das nagende Gefühl, ihrem Leben fehle etwas. Das beunruhigte sie. Allerdings fehlte ihrem Leben ja tatsächlich etwas – ein Kind. Aber das würde sich bald ändern. „Glaub mir, Tess, es ist ein gutes Leben.“
Das Gespräch mit Tess ging Kate jedoch den ganzen Tag nicht mehr aus dem Sinn. So gar während des abendlichen Dinners mit Richard in ihrem Lieblingsrestau rant musste sie daran denken und fragte sich, welcher Teil der Unterhaltung ihre Melancholie ausgelöst hatte. Sie dachte immer wieder an die Zeit des Kennenlernens zurück und versuchte, ihre damaligen Gefühle zu analysieren.
Seit der ersten Verabredung hatte Richard sie behandelt wie eine Prinzessin, wie die arme kleine Stiefschwester, die den scharmanten Prinzen gewonnen hatte. Er hatte sie an Orte ausgeführt, von denen sie bisher nur träumen konnte, und ihr einen Lebensstil gezeigt, der sie nur noch staunen ließ. Sie hatte sich daraufhin wahnsinnig in ihn verliebt, und geglaubt, er liebe sie genauso.
Geglaubt? Wie alle jungen Paare hatten sie natürlich ihreSchwierigkeiten gehabt. Er war jung gewesen und verwöhnt, hatte seinen Willen durchsetzen und im Mittelpunkt stehen wollen. Er war immer umschwärmt worden, und zu Beginn ihrer Bekanntschaft hatte er keinen Hehl daraus gemacht, dass er es nicht auf eine feste Bindung anlegte. Trotzdem war es eine feste Beziehung geworden, denn letztlich hatte sie ihn vor die Wahl gestellt.
Er hatte sich für sie entschieden. Und obwohl er ungefähr ein halbes Dutzend Mal Schluss mit ihr machte, um auch mit anderen Frauen auszugehen, war er doch immer wieder zu ihr zurückgekehrt.
„Kate?“ Richard wedelte die Hand vor ihrem Gesicht. „Möchtest du Kaffee?“
Sie blinzelte errötend. Völlig in Gedanken vertieft, hatte sie nicht mitbekommen, dass der Kellner an ihrem Tisch stand. Sie lächelte den jungen Mann an. „Ja, Kaffee bitte.“
„Einen schlechten Tag gehabt?“ fragte Richard, als der Kellner davonging.
„Eigentlich nicht.“
„Warum bist du dann so still?“
„Bin ich das?“
„Sagen wir mal, der Leichenbestatter hat unterhaltsamere Gesellschaft.“
Sie lachte. „Tut mir Leid, ich bin heute abend wohl nicht sehr amüsant.“
Er beugte sich vor und bedeckte ihre Hand mit seiner. „Möchtest du darüber reden?“
„Es ist eigentlich zu albern.“ Sie lachte leicht verlegen. „Du wirst mich auslachen. Ich weiß es.“
„Probier’s.“
Also erzählte sie ihre Unterhaltung mit Tess. „Und dannhat sie mich so bedauernd angesehen, als sei unsere Ehe blutleer.“ Sie hob kurz die Schultern. „Seither habe ich irgendwie ein komisches Gefühl.“
Richard fragte verständnislos: „Du lässt dich doch nicht von ihren sonderbaren Ansichten über die Liebe beeinflussen, oder?“
„Nein, natürlich nicht. Aber … hattest du jemals solche Ge fühle für mich, dass du nicht mehr essen oder schlafen konntest, weil du ständig an mich dachtest, oder dass du glaubtest, ohne mich sterben zu müssen?“
„Kate, wie du selbst sagtest, ist Tess neunzehn oder zwanzig und hat noch nie eine ernste Beziehung gehabt. Was Liebe
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