Albtraum
sie leise bei. „Allerdings frage ich mich … wie alt ist Emma?“
„Vier Monate.“
„Oh.“ Sie schürzte die Lippen.
„Was ist?“
Sie hob kurz die Schultern. „Ich war natürlich nie Mutter, aber ich habe gehört, dass manche Frauen …“ Sie verstummte kurz. „Ach, egal, es geht mich nichts an.“
„Unfug.“ Er beugte sich zu ihr vor. „Es geht Sie etwas an, weil ich das Thema aufgebracht habe. Sagen Sie mir, was Sie gehört haben?“
„Dass manche Frauen in dieser Phase so depressiv werden, dass die eigenen Männer sie nicht wieder erkennen. Könnte das auch mit Kate passiert sein? Ich meine, glauben Sie, dass sie glücklich ist?“
„Sie waren zum Dinner bei uns“, erwiderte er stirnrunzelnd. „Was glauben Sie?“
Sie zögerte, als wähle sie ihre Worte mit Bedacht. „Sie schien … dem Baby sehr zugetan zu sein.“
Mehr als mir. Julianna brauchte ihm das nicht zu sagen, er wusste es bereits.
„Haben Sie Geduld“, riet sie leise. „Ich bin sicher, das geht vorüber.“
Und wenn nicht, fragte er sich, während ihr Essen serviert wurde. Was, wenn er und Kate weiter auseinander drifteten, bis sie sich gar nicht mehr verstanden oder nichts mehr miteinander gemein hatten?
Sie aßen eine Weile schweigend. „Richard?“
Er blickte auf, und sie legte eine Hand auf dem Tisch über seine. Kurz blickte er auf ihre vereinten Hände, erstaunt über die Geste und das angenehme Gefühl, das sie ihm verursachte.
Er sagte sich, er müsse die Hand zurückziehen, rührte jedoch keinen Muskel.
„Ich wollte schon eine Weile mit Ihnen über etwas reden, aber ich … ich …“ Sie verstummte und räusperte sich, offenbar um Mut zu sammeln. „Ich habe hin und her überlegt, ob ich es Ihnen sagen soll oder nicht. Aber jetzt, da Kate sich so merkwürdig verhält …“
„Es geht um Kate?“
„Ja.“ Sie senkte den Blick und hob ihn wieder. „Und um Luke Dallas.“
Richard wurde hellhörig. „Wovon reden Sie?“
„An jenem Abend in Ihrem Haus … da hat Kate Ihnen nicht die Wahrheit gesagt wegen des signierten Buches. Ich habe sie gesehen, Richard.“
„Was soll das heißen? Wo haben Sie sie gesehen?“
„In Luke Dallas’ Signierstunde. Sie hatte Emma dabei. Die Schlange war unheimlich lang, und ich erinnere mich, dass mir Kate mit dem Baby Leid getan hat. Sie stand ganz weit hinten. Sie sah so müde aus.“
Richard hatte Mühe, seinen Zorn zu verbergen. Verbittert erkannte er, dass er hintergangen worden war.
Julianna lehnte sich bekümmert zurück. „Ich hätte nichts sagen sollen. Es tut mir Leid. Ich dachte nur, Sie müssten vielleicht wissen …“
Dass seine Frau sehr wohl Zeit fand, hinter einem alten Freund herzujagen, jedoch keine, um mit ihrem Mann zum Dinner auszugehen. Dass sie ihn belogen hatte.
„Tut mir Leid“, wiederholte Julianna, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Ich sehe, dass Sie aufgebracht sind, und ich kann es Ihnen nicht verübeln.“ Sie beugte sich vor und sagte in flehendem Ton. „Bitte vergessen Sie, was ich gesagthabe. Viel leicht habe ich mich auch geirrt. Es wäre mir schrecklich, wenn Sie und Kate meinetwegen streiten würden.“
„Unsinn“, erwiderte er und zwang sich zu einem steifen Lächeln. „Ich bin froh, dass Sie es mir gesagt haben. Es ist keine große Sache. Wir drei waren damals in Tulane gute Freunde. Sie hat einfach vergessen, es mir zu sagen.“
„Sicher.“
Beide wussten, das war gelogen. Richard sah auf seine Uhr, winkte die Bedienung heran und zahlte. „Wir gehen besser zurück. Es wird ein arbeitsreicher Nachmittag.“
„Mit Sicherheit.“
Julianna schob ihren Stuhl vom Tisch zurück und wollte aufstehen.
Richard hielt sie zurück, und sie sah ihn an. „Julianna, danke, dass Sie mir zugehört haben. Das gehört eigentlich nicht zu Ihren Aufgaben.“
Sie lächelte lieb und eine Spur traurig. „Ich bin immer für Sie da, Richard. Gleichgültig, was Sie brauchen. Vergessen Sie das nicht.“
39. KAPITEL
Richard kam spät. Kate hatte in der letzten Stunde wohl hundertmal auf die Uhr gesehen. Zehn war es inzwischen. Wo steckte er bloß? Als sie kurz vor dem Lunch mit ihm gesprochen hatte, hatte er gesagt, er sei früh zu Hause.
Besorgt nagte sie an ihrer Unterlippe. Es sah ihm nicht ähnlich, sich nicht zu melden. Von einem Geschäftsessen oder einem anderen Termin in letzter Minute hätte er sie unterrichtet.
Fast krank vor Sorge, begann sie hin und her zu gehen. Sie hatte schon alle angerufen, die ihr
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