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Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Titel: Alcatraz und die dunkle Bibliothek Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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Kindheit sei eine »tiefgehende Infiltration« der von den Bibliothekaren beherrschten Länder gewesen. In seiner Vorstellung ist es wahrscheinlich eine »tiefgehende Infiltration«, wenn man so wie ich seine Zeit damit verbringt, Videospiele zu spielen und sich dabei mit Süßigkeiten vollzustopfen.
    Ich hoffe, es ist keine zu große Enttäuschung für die Freien Untertanen unter euch, wenn ihr herausfindet, dass bei meiner Geburt keine Drachen erschienen, um mir ihre Aufwartung zu machen. Ich wurde auch nicht von den Geistern meiner Smedry-Vorfahren in ihren Künsten unterrichtet, noch habe ich meinen ersten Bibliothekar getötet, indem ich ihm mit seinem eigenen Büchereiausweis die Kehle aufschlitzte.
    Das hier ist mein wirkliches Ich, ein verkorkster Junge, der zu einem noch verkorksteren jungen Mann herangewachsen ist. Ich bin kein abgrundtief schlechter Mensch. Aber ich bin eben auch kein besonders guter. Wenn ihr an Altäre gefesselt, fast von beweglichen Liebesromanen gefressen und von einer Glassäule geworfen worden wärt, die höher ist als der Mount Everest – nun, dann wärt ihr vielleicht auch so geworden wie ich. Oder zumindest ein bisschen.
    Sing stolperte.
    Also, ich habe schon einige Leute stolpern sehen. Ich habe gesehen, wie sie aus dem Gleichgewicht gerieten, wie sie taumelten, wie sie Stufen verfehlten. Einmal habe ich beobachten können, wie mein Pflegebruder die Treppe hinunterfiel (nicht meine Schuld), und ich habe gesehen, wie der Klassenrüpel mit Schwung auf seinem beachtlichen Bauch landete, als das Sprungbrett im Schwimmbad unter ihm zusammenbrach (in diesem Fall verweigere ich die Aussage).
    Ich hatte bis dahin allerdings noch nie jemanden mit einer solchen … Kunstfertigkeit fallen sehen, wie Sing es an diesem Tag in der Eingangshalle der Bibliothek zustande brachte. Der ausladende Mokianer stolperte sehr überzeugend über die Fußmatte, die direkt hinter der Tür lag. Er schrie auf und hüpfte auf einem Bein herum – ein taumelnder, schwankender Koloss mit der kinetischen Energie eines einstürzenden Gebäudes.
    Die Leute liefen entsetzt auseinander. Kinder kreischten und klammerten sich an ihren Bilderbüchern über fröhliche Erdferkel fest. Ein Bibliothekar hob warnend die Hand.
    Mit einer seltsamen Mischung aus gekonnter Eleganz und vollkommenem Kontrollverlust fiel Sing über einen der bequemen Lesesessel und kollidierte mit einem wuchtigen Bücherregal. Diese Regale sind normalerweise – wie ihr vielleicht wisst – fest am Boden verankert. Das half hier jedoch rein gar nichts. Wenn es von einem dreihundertfünfzig Pfund schweren mokianischen Geschoss getroffen wird, verbiegt sich auch Eisen mühelos.
    Das Bücherregal fiel um.
    Bücher flogen durch die Luft. Papier flatterte wild. Das Metall ächzte gequält.
    »Das ist unser Stichwort«, sagte Grandpa Smedry und rannte los, einer mehr in der unübersichtlichen Menge, die durch die Eingangshalle wogte.
    Wir folgten ihm und hetzten an den entsetzten Bibliothekaren vorbei. Grandpa Smedry führte uns durch die Abteilung für Kinderbücher, dann an der Medienabteilung vorbei, bis zu einer schäbigen schwarzen Tür, auf der NUR FÜR ANGESTELLTE stand.
    »Setz deine Okulatorenlinsen auf, Junge«, wies Grandpa Smedry mich an, während er sich seine rot getönte Brille auf die Nase schob.
    Nachdem ich seinem Befehl gefolgt war, entdeckte ich beim Blick durch die Linsen, dass die Tür von einem schwachen Glühen umgeben war. Es war kein weißes oder schwarzes Leuchten, wie ich es vorhin gesehen hatte, sondern eher … bläulich. Die Energie konzentrierte sich auf eine rechteckige Fläche an der Wand. Als ich genauer hinsah, erkannte ich, dass an dieser Stelle eine kleine eckige Glasscheibe in die Wand eingelassen war.
    »Ein Handabdrucklesegerät, echte Schweigelandtechnologie«, stellte Grandpa Smedry fest. »Das ist so etwas Ähnliches wie Erkennungsglas. Wie herrlich altmodisch! Also gut, Junge, du bist dran.«
    Ich schluckte schwer, denn meine Nervosität war zurückgekehrt; nicht nur, weil die Bibliothekare ganz in der Nähe waren, sondern auch, weil alle sich auf mich zu verlassen schienen. Ich streckte die Hand aus und drückte sie gegen die Tür. Hinter der Glasscheibe begann es zu summen, aber ich achtete nicht weiter darauf. Stattdessen richtete ich meinen Blick nach innen.
    Rein instinktiv war ich mir meiner Macht immer bewusst gewesen. Ich hatte diese Kräfte stets zur Verfügung gehabt, hatte bisher aber noch kaum

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