Alcatraz und die dunkle Bibliothek
die Bibliothekare für dich in petto haben könnten!«
Ein zweites Mal nahm ich die Linsen entgegen, und diesmal gingen sie zum Glück nicht los. Ich habe es euch ja schon gesagt: Diese Linsen werden in der Geschichte hier wahrscheinlich niemals zum Einsatz kommen. Ihr müsstet schon großes Glück haben, um zu sehen, wie damit geschossen wird. Also, noch mal.
Ich warf einen schnellen Blick auf Bastille und zog Grandpa Smedry wieder auf die Seite. »Weißt du, Grandpa … ich bin mir nicht sicher, ob ich das schaffe.«
»Blödsinn, Junge! Du bist ein Smedry!«
»Aber bis heute Morgen hatte ich keine Ahnung davon«, gab ich zu bedenken. »Oder zumindest … wusste ich nicht, was es heißt, ein Smedry zu sein. Ich glaube einfach nicht … na ja, ich bin einfach noch nicht so weit.«
»Wie kommst du darauf?«
»Vorhin habe ich versucht, mein Talent einzusetzen, um Bastille davon abzuhalten, dass sie mich mit ihrer Tasche trifft. Aber es hat nicht funktioniert. Und das war nicht das erste Mal – manchmal schaffe ich es einfach nicht, Dinge kaputt zu machen. Und wenn ich es nicht will, passiert es normalerweise trotzdem.«
»Dein Talent ist noch ungezähmt«, erläuterte Grandpa Smedry. »Du hast es noch nicht genügend trainiert. Wenn man ein Smedry ist, geht es nicht darum, ein Talent zu haben, sondern darum, herauszufinden, wie man dieses Talent anwendet. Kluge Menschen sind dazu in der Lage, alles zu ihrem Vorteil zu nutzen, auch wenn es anfangs vielleicht wie ein Nachteil aussieht.
Kein Smedry-Talent ist hundertprozentig kontrollierbar. Aber wenn du ausreichend trainierst, wirst du es immer mehr in den Griff kriegen. Irgendwann wirst du nicht nur wann und wo immer du willst etwas beschädigen können, du wirst sogar dazu fähig sein zu bestimmen, wie es kaputt gehen soll.«
»Aber …« Ich war immer noch verunsichert.
»Das klingt ja gar nicht nach dir, Alcatraz«, stellte Grandpa Smedry mahnend fest. »Wo ist denn dein Feuer geblieben, dein Esprit, die Sturheit, mit der du sonst alles angehst?«
Das ließ mich aufhorchen. »Woher weißt du denn, wie ich normalerweise bin? Wir haben uns doch gerade erst kennengelernt.«
»Wie bitte? Denkst du wirklich, ich hätte dich die ganzen Jahre in den Händen der Bibliothekare gelassen, ohne mich regelmäßig danach zu erkundigen, wie es dir geht?«
Das hat er wirklich getan, sich erkundigt, dachte ich. Bastille hat so etwas erwähnt. »Trotzdem kennst du mich nicht«, widersprach ich. »Ich meine, du wusstest ja noch nicht einmal, welches Talent ich habe.«
»Aber ich habe es vermutet, mein Junge. Gut, ich muss zugeben – ich habe deine Pflegefamilien normalerweise erst gefunden, nachdem du schon wieder umgezogen warst. Aber auf meine Weise habe ich durchaus auf dich aufgepasst.«
»Wenn das wahr ist, warum hast du mich dann …«
»… überhaupt diesen ganzen Pflegeeltern überlassen?«, nahm er mir das Wort aus dem Mund. »Ich bin nicht besonders gut geeignet als Elternersatz. Ein Junge braucht jemanden, der rechtzeitig da ist, wenn er Geburtstag oder vielleicht ein wichtiges Spiel hat. Außerdem gab es … gewisse Gründe dafür, dich in dieser Welt aufwachsen zu lassen.«
Ich hielt das für eine sehr dürftige Erklärung, aber Grandpa sah nicht so aus, als wolle er dem noch etwas hinzufügen. Also seufzte ich nur, bevor ich zum eigentlichen Thema zurückkehrte: »Ich habe einfach das Gefühl, dass ich in diesem Kampf nicht besonders nützlich sein werde. Ich kann mein Talent nicht richtig einsetzen, und wie man die Linsen benutzt, weiß ich auch nicht wirklich. Vielleicht sollte ich mir lieber eine Pistole oder ein Schwert oder so was besorgen.«
Grandpa Smedry lächelte verschmitzt. »Ach, Junge. Dieser Krieg, in dem wir uns befinden – dabei geht es nicht um Pistolen, noch nicht einmal um Schwerter.«
»Worum dann, um Sand?«
»Wissen«, erklärte Grandpa Smedry kurz und bündig. »Das ist die wahre Quelle der Macht in dieser Welt. Der Mann, der uns vorhin mit der Waffe bedroht hat – der hatte Macht über dich. Warum?«
»Weil er mich erschießen wollte.«
»Weil du dachtest, dass er dich erschießen wollte«, verbesserte mich Grandpa Smedry und hob mahnend den Zeigefinger. »Aber er hatte keine Macht über mich, weil ich wusste, dass er mich nicht verletzen konnte. Und als er das erkannt hat …«
»… ist er weggelaufen«, sagte ich langsam.
»Wissen. Die Bibliothekare kontrollieren das Wissen in dieser Stadt – beziehungsweise im
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