Alcatraz und die letzte Schlacht: Band 4 (German Edition)
abzuschneiden?«
»Ist doch logisch«, sagte Bastille und fügte hinzu: »Hütten sind tatsächlich fortschrittlicher als die Gebäude, die ihr in den Ländern des Schweigens habt, Smedry. Allein die automatischen Klimaanlagen, zum Beispiel, und…«
»Nein«, sagte Mallo. »Bei allem Respekt, junger Ritter, wir müssen aufhören, so etwas zu sagen. Wir behaupten gern, dass das, was wir haben, besser ist als das, was die Bibliothekare haben. Aber wegen solcher Vergleiche, die nur Neid erzeugen, hat dieser Krieg überhaupt erst begonnen.«
Er blickte nach vorn, zum Palast. »Wir Mokianer haben uns für dieses Leben entschieden. Nicht weil es ›primitiv‹ oder ›fortschrittlich‹ ist, sondern weil es uns gefällt. Je komplizierter das ist, womit wir uns umgeben– unsere Häuser, unsere Fahrzeuge und das, was wir in unseren Häusern und Fahrzeugen haben–, umso mehr Zeit müssen wir auf sie verwenden. Und umso weniger Zeit haben wir zum Nachdenken und Studieren.«
Ich blinzelte erstaunt. Diese Worte hätte ich aus dem Mund des hünenhaften Mokianers mit der Kriegsbemalung und dem brennenden Speer nicht erwartet. Bastille, die grübelnd neben mir herlief, verschränkte die Arme. Ihre oft wiederholte Behauptung, dass in den Freien Königreichen alles besser sei als in den Ländern des Schweigens, hatte mich anfangs befremdet. Ich hatte angenommen, dass alle Freien Untertanen so dachten, aber allmählich wurde mir klar, dass Bastille einfach nur eine ganz spezielle Weltsicht hat.
(Das heißt, dass sie spinnt. Aber das soll ich nicht schreiben, weil sie mich sonst schlägt. Äh, deshalb vergessen wir vielleicht besser, dass ich das geschrieben habe, okay?)
Wir erreichten die Eingangstreppe des Palastes, auf der eine Frau uns erwartete. Sie kam mir ebenfalls bekannt vor, doch diesmal wusste ich, warum. Sie hatte große Ähnlichkeit mit ihrer Schwester Bastille. Angola Dartmoor war groß und schlank und rund zehn Jahre älter als Bastille. Sie trug einen gelb und schwarz gemusterten Pareo und eine dazu passende Blume im Haar und in der Hand hielt sie ein Zepter aus kunstvoll geschnitztem Holz.
Sie war wunderschön. Sie hatte lange blonde Haare, die ungefähr die Farbe von Käsemakkaroni hatten, und ein breites, aufrichtiges Lächeln, das ungefähr die Form einer Käsemakkaroninudel hatte. Sie schien von innen zu leuchten– so wie eine Schüssel Käsemakkaroni leuchten würde, wenn man eine Glühbirne hineinstecken würde. Ihre Haut war weich und saftig wie…
Okay. Vielleicht bin ich im Augenblick zu hungrig, um zu schreiben. Jedenfalls sah Angola toll aus. Sie war eindeutig eine der schönsten Frauen, die ich je gesehen hatte.
Bastille trat mir auf den Fuß.
»Aua!«, maulte ich. »Wofür war das denn?«
»Hör auf, meine Schwester anzuglotzen«, knurrte Bastille.
»Ich habe sie nicht angeglotzt, sondern bewundert!«
»Dann bewundere sie etwas weniger. Und hör auf zu sabbern.«
»Wie bitte, ich…« Ich verstummte, als Angola anmutig die Treppe herabschritt und direkt auf uns zukam. »Ich sabbere nicht«, zischte ich leise. Dann verneigte ich mich. »Majestät.«
»Lord Smedry!«, sagte sie. »Ich habe schon so viel von Ihnen gehört!«
»Äh… wirklich?«
Sie erwiderte nichts, sondern legte ihrer Schwester graziös die Hände auf die Schultern. »Und Bastille. Seit Monaten schreibe ich dir, dass du mich mal besuchen sollst. Und jetzt kommst du endlich, ausgerechnet während einer Belagerung. Ich hätte wissen müssen, dass nur irgendeine Gefahr dich herlocken würde. Manchmal frage ich mich, ob die Gefahr dich nicht ebenso reizt wie die Leute, die du beschützt!«
Bastille errötete.
»Folgt mir«, sagte Angola. »Herzlich willkommen zu allem, was Mokia an Annehmlichkeiten zu bieten hat. Wir werden ein Morgenmahl zu uns nehmen und über die neuen Nachrichten diskutieren, die ihr mitbringt. Ich bete zum Aumakua, dass es gute Nachrichten sind, denn die sind in letzter Zeit selten geworden.«
Eine Randbemerkung zum letzten Satz: Vielleicht überrascht es euch, von Angola eine so klare religiöse Äußerung zu hören. Schließlich habe ich in meinen Büchern bisher kaum über Religion geredet.
Das habe ich bewusst vermieden, hauptsächlich um mich zu schützen. Ich habe nämlich festgestellt, dass es einem, wenn man über Religion redet, ähnlich geht, wie wenn man eine Catcher-Maske trägt. In beiden Fällen fühlen Leute sich dazu herausgefordert, Dinge nach einem zu werfen. (Und im Falle der
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