Alcatraz und die letzte Schlacht: Band 4 (German Edition)
verfiel in Schweigen.
»Das bedeutet?«, fragte ich.
»Beim Kristall aller Kristalle!«, flüsterte Bastille. Ihre Augen weiteten sich. »Oh nein, das darf nicht wahr sein…«
Alle Blicke richteten sich auf mich.
»Was denn?«, fragte ich nervös.
»Die Smedrys gehören zum Hochadel«, erklärte Bastille. »Sie werden von allen Nationen, die im Rat der Könige vertreten sind, als Lords und Ladys anerkannt. Dieses Recht erwarb deine Familie, als sie abdankte. Alle erkannten, dass die Smedry-Talente euch dazu hätten verleiten können, die Freien Königreiche zu erobern. Aber seither ist ein direkter Erbe der Smedry-Linie in den meisten Königreichen, auch in Nalhalla und Mokia, einem Herzog gleichrangig.«
»Und ein Herzog ist…?«, fragte ich.
»Ein Herzog kommt gleich nach einem Prinzen«, sagte Aydee.
Da fielen alle Krieger vor mir auf ein Knie. »Was wünschen Sie, Majestät?«, fragte einer.
»Ach du lieber Pelikan!«, fluchte Kaz.
KAPITEL 24601
Sicher haben viele der Freien Untertanen unter euch von dem Tag gehört, an dem ich zum König von Mokia gekrönt wurde. Diese Geschichte wurde zur Legende. Und Legenden leben von Übertreibungen.
In gewisser Weise ist eine Legende wie ein Organismus – ein Virus oder eine Bakterie. Sie fängt als kleine Geschichte an, die nur wenige Leute ausbrüten. Dann wächst sie und mutiert, während sie an andere Leute weitergegeben wird, weil jeder sie etwas ausschmückt, aufbauscht und verändert. Und schließlich wird sie immer größer und infiziert immer mehr Leute, bis sie zu einer Epidemie wird.
Das einzige Mittel gegen Legendenbildung ist die reine sterile Wahrheit. Das ist einer der Gründe, warum ich beschlossen habe, diese Autobiografie zu schreiben. Wie kam es dazu, dass ich schließlich Mokia regierte? Also, na ja, ich war nie wirklich König, sondern nur der sogenannte »stellvertretende Regent«. Ich war der ranghöchste Adlige in der Stadt, aber nur, weil praktisch alle anderen entweder gefallen oder weggeschickt worden waren.
Nein, ich ergriff nicht mitten in der Schlacht heldenhaft das Schwert des gefallenen Königs, wie die Legende behauptet. Und es stimmt auch nicht, dass Engelsstimmen meine Thronbesteigung verkündeten. In Wahrheit war sehr wenig Heldentum im Spiel.
Aber es herrschte eine große Verwirrung.
»Was?«, fragte ich entgeistert. »Ich kann doch nicht König werden! Ich bin erst dreizehn!«
»Sie sind nicht unser König, Mylord«, sagte einer der Mokianer. »Nur unser stellvertretender Regent.«
Ein weiterer Felsbrocken donnerte gegen die Kuppel und verursachte spinnwebenartige Risse im Glas.
»Okay, was habe ich zu tun?«, fragte ich und sah Kaz, Aydee und Bastille Hilfe suchend an.
»Jemand muss für uns eine Entscheidung treffen, Mylord«, sagte ein mokianischer Krieger. »Der König spielte mit dem Gedanken, zu kapitulieren. Sollen wir das nun tun oder sollen wir weiterkämpfen?«
»Ich soll das entscheiden?«
Sie warteten nur schweigend, ohne sich von den Knien zu erheben.
Ich blickte über die Schulter zum Lager der Bibliothekare. Der Himmel war schwarz, aber der Umkreis der Stadt war hell erleuchtet, wie mit Flutlicht. Ich konnte erkennen, dass die Bibliothekare an mehreren Stellen Tunnel gruben, und zwar mit seltsamen stabähnlichen Werkzeugen, die offensichtlich bewirkten, dass die Erde vibrierte und sich wegbewegte. Die Riesenroboter schleuderten weiter Felsbrocken auf die Glaskuppel.
DONG! DONG! DONG!
Noch vor wenigen Minuten hatte ich kaum glauben können, dass der König eine Kapitulation in Erwägung zog. Aber nun wurde mir dieselbe Frage gestellt und sie machte mir Angst. Ich hatte soeben Leute sterben sehen. Bibliothekarssoldaten, die gekommen waren, um den König zu töten– oder zumindest außer Gefecht zu setzen. Wenn ich die mokianischen Krieger in den Kampf schickte, würden sie vielleicht dasselbe Schicksal erleiden. Konnte ich das wirklich riskieren?
Von Mut und Freiheit zu reden war eine Sache. Aber es fühlte sich ganz anders an, derjenige zu sein, der eine solche Entscheidung traf. Wenn ich den Befehl gab, weiterzukämpfen, trug ich die Verantwortung für die Männer und Frauen, die verwundet, getötet oder ins Koma versetzt wurden. Das war eine ungeheure Belastung für einen Dreizehnjährigen, der bis vor einem halben Jahr noch gar nichts von Mokia gewusst hatte. Und da fragen sich die Leute, warum ich so gestört bin.
»Wir kämpfen weiter«, sagte ich leise.
Das schien die Antwort zu sein,
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