Aldebaran
drückte Nedims Hand und zog ihn mit sich. »Komm.« Ihre Stimme war rau, sinnlich.
»Wie heißt du?«
»Lalla.«
»Ich bin Nedim.«
Die andere Frau nannte sich Gaby.
»Gaby?«, wiederholte Nedim überrascht.
»So nennen wir sie. Ihr richtiger Name ist Amina. Aber sie mag ihn nicht.«
Was kümmerte Nedim ihr Vorname. Er hatte nur Augen für Lalla.
»Wo kommst du her?«
»Von hier«, lachte Lalla.
»Ursprünglich, meine ich?«
»Aus Marokko. Ich könnte einen Schluck vertragen.«
»Ich auch«, sagte Gaby, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen.
Lalla und Gaby bestellten eine Cola. Nedim blieb bei Gin Tonic. Der DJ legte Oyé como auf. In der Version von Santana. Vier Minuten und sechzehn Sekunden Glückseligkeit, die sich keiner der anwesenden Tänzer entgehen lassen wollte.
»Gehen wir?« Nedim hatte nur einen Wunsch: Lallas Körper wieder an seinem eigenen zu spüren. Sein Glied an ihren Bauch zu pressen und sich von ihren Ausdünstungen berauschen zu lassen. Er sah verstohlen auf die Uhr. Vor ihm lagen noch gut drei Stunden. Er fragte sich, ob es ihm gelingen würde, Lalla an irgendein stilles Plätzchen zu führen und eine Nummer mit ihr zu schieben. Ein Auto wäre super, dachte er. Wenn sie doch nur ein Auto hätten. Gaby konnte da warten. Er würde ihr einen Drink ausgeben. Nur bis …
»Wir gehen lieber noch woanders hin«, sagte Gaby. »Was meinst du, Lalla?«
Nedim verfluchte Gaby für den Vorschlag. Weiterziehen zerstörte die Atmosphäre. Wie eine Unterbrechung des physischen Kontakts, der sich zwischen seinem und Lallas Körper gebildet hatte. Er mochte diese Gaby nicht.
»Ist das deine große Schwester?«, fragte er Lalla.
»Gaby?« Lalla musste lachen. »Warum, sehen wir uns ähnlich?«
»Ein bisschen.« Er neigte sich zu ihr und flüsterte ihr ins Ohr: »Nur älter. Wir könnten doch hier bleiben, wir zwei. Hier ist es doch schön, oder?«
»Komm mit uns«, antwortete sie, als hätte sie nicht gehört, und ließ dabei ihre Hand über Nedims Hintern gleiten. Sie zwinkerte ihm zu. »Willst du nicht?« Lallas Hand streichelte immer noch seinen Hintern.
»Es ist nur …«
»Hast du es eilig?«
»Nein. Ich muss nur meinen Seesack mit rumschleppen.«
»Verreist du?«
»Ich bin Seemann.«
Nedim glaubte, Gabys Blick auf sich zu spüren. Er sah zu ihr hinüber. Ihre Blicke kreuzten sich. Es gefiel ihm nicht besonders, wie sie ihn musterte. Sie schien ihn abzuschätzen. »Lass ihn«, sagte sie zu Lalla. »Wenn er nicht mitkommen will.«
»Musst du ein Schiff kriegen?«, fragte Lalla.
»Nein. Ich …« Er fühlte sich zu dem Mädchen hingezogen. Er wollte mit ihr schlafen, aber nicht nur das. Er war ihrem Zauber erlegen. Wie verhext. Er konnte nicht sagen, wie ihm geschah. Doch, konnte er. Lalla hatte ihre Hand langsam von seinem Hintern hinabgleiten lassen und zog sie nun am rechten Oberschenkel wieder hoch. Ja. Aber da war noch etwas anderes.
»Du gefällst mir«, sagte sie ganz leise und biss ihn ins Ohr.
Er konnte nicht mehr klar denken. Außer dass es dumm wäre, einen solchen Glückstreffer sausen zu lassen. Ein Mädchen wie sie hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht getroffen. Sogar seine Kubanerin aus Panama, die er ganz oben auf der Liste seiner Erinnerungen und Wunschträume platziert hatte, konnte ihr nicht das Wasser reichen.
»Wo wollt ihr denn hin?«
»Ins Habana« ,antwortete Lalla. »Kennst du das? An der Place de l’Opéra.«
»Ich weiß, wo das ist. Was ist das für ne Kneipe?«
»Kubanisch. Aber intimer.«
Gaby glitt von ihrem Hocker. In der Bewegung straffte sich ihr Rock über den Schenkeln und rutschte leicht hoch. Nedim konnte nicht anders, als sie anzuschauen. Sie war eine schöne Frau. Schöner, als er im ersten Moment gedacht hatte. Ihr Körper war aufgeblühter als Lallas. Wollüstig. Eine arabische Prinzessin, dachte Nedim. So benahm sie sich auch.
Lalla verschwand auf die Toilette. Nedim ging vorsichtig auf Gaby zu. Als hätte er es mit einer Wildkatze zu tun. Ein eigenwilliges Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, und die Augen waren von ungewöhnlichem Glanz erfüllt. Sie musterte ihn verächtlich. Da bemerkte er die feine Narbe unter dem linken Auge. Vom linken Augenwinkel bis in die Mitte der Wange. Nedim dachte an einen Messer- oder Rasierklingenschnitt. Er hätte sie gern danach gefragt. Aber er sagte nur: »Du bist nicht gesprächig, was, Gaby?«
»Männergespräche sind selten besonders anregend, das sag ich dir.«
»Ziehst du
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