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Aldebaran

Aldebaran

Titel: Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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Amarantrot,
    und sie vibrieren in einem langsamen, langsamen Rhythmus.
    Und wir, die wir auf sie warten,
    wir wissen, dass sie Gefangene sind
    wie die Wellen im Meer.
     
    Mariette kannte den ganzen Text, den sie mitsummte. Sie hatte eine sanfte Stimme. Der Sänger und sie gaben ein gutes Duo ab.
    Come le onde del mare. Come le onde del mare.
    Sie küsste ihn auf die Wange. Das würzige Parfüm ihres Körpers stieg ihm in die Nase. Auch ihr Kuss duftete. Er fragte sich, wonach ihre Brüste heute Nacht schmecken würden. Ananas, Mango, Apfel oder Granatapfel? Oder nach einer völlig neuen, ihm unbekannten Frucht?

13 Die Geschichte vom Mädchen, das die Vazaha suchte
    Nedim war erleichtert, als er Diamantis in die Bar treten sah. Es war fast zwanzig vor sechs. Seit vierzig Minuten saß er da mit einem kleinen Bier.
    Als Diamantis Mariette verlassen hatte, hatte er sich nicht entschließen können, sofort zu seinem Treff mit Nedim zu gehen. Er hatte die Fähre genommen und war durch den Alten Hafen gefahren. Dann war er zurückgekehrt und an den Kais entlangflaniert. Offen für das Leben, das um ihn herum pulsierte.
    Bei einem fliegenden Händler, einem Senegalesen, musste er lächeln, als er feststellte, dass eine Portion geröstete Erdnüsse einen Franc weniger kostete als eine Portion Mandeln. »Warum?«, hatte er sich gefragt, aber nicht ernsthaft nach einer Antwort gesucht. Dann hatte er sich mit etwa fünfzig Japanern treiben lassen, die sich aus einem Touristenbus auf den Kai ergossen. Der runde, schwarze Kopf eines Jungen unter einer roten Kappe war aus der Gruppe aufgetaucht und schnell von der mütterlichen Hand wieder eingefangen worden. Der Junge hatte Diamantis angesehen und ihm die Zunge herausgestreckt. Eine hübsche, rosa Zunge. Er hatte wieder gelächelt.
    Ein Stückchen weiter diskutierten auf einer Bank mit Blick aufs Meer zwei Araber heftig miteinander. Als er auf ihrer Höhe angelangt war, hatte er seinen Schritt verlangsamt, um der Melodie dieser für ihn unverständlichen Worte zu lauschen. Arabisch war eine Sprache, die er gern gelesen und gesprochen hätte. Er hatte sich nie die Zeit genommen, sie zu lernen, und bedauerte es regelmäßig. An der Kreuzung vom Quai de Rive-Neuve und dem Cours Jean-Balard angelangt, hatte er mit den Händen in den Taschen darauf gewartet, dass die Ampel auf Rot schaltete, bevor er sie überquerte.
    Auf dem Bürgersteig gegenüber ging ein junger Mann unruhig auf und ab, eine Zigarette zwischen den Lippen. Ein hübsches Mädchen von den Antillen stieg aus dem Bus und lief auf ihren Freund zu. Er hatte seine Kippe fallen lassen, um sie in die Arme zu schließen. Unter den belustigten Blicken der Passanten hatte er sie übermütig lachend hochgehoben und durch die Luft gewirbelt. Sie hatte sehr hübsche Beine und trug einen gelben Schlüpfer.
    Diamantis musste erneut lächeln. Marseille bekam ihm gut.
    »Verdammt! Ich hab mir Sorgen gemacht, Diamantis. Stell dir vor, ich hab keinen Sou, um zu bezahlen. Also, wenn du nicht gekommen wärst …«
    »Ich hab doch gesagt, ich komme.«
    »Ja, schon, aber … Hast du gesehen, wie spät es ist? Ich hatte wirklich Grund, vor Angst zu vergehen, oder?«
    Diamantis bestellte zwei Bier vom Fass. »Gut, es lohnt sich nicht, groß zu provozieren«, sagte er nach einem tiefen Schluck Bier. »Ich geh allein ins Habana. Du wartest hier auf mich.«
    »Na schön.«
    Diamantis wusste noch nicht, wie er vorgehen würde, aber eines war sicher: Nedim wollte er nicht zwischen den Füßen haben. Er war zu impulsiv, unberechenbar.
    »Meinst du, es klappt?«
    »Mal sehen.«
    »Verdammt, hoffentlich. Ich brauch meine Sachen.«
    »Hast du was Wichtiges drin?«
    Nedim zuckte mit den Schultern. »Nein … Nur das Foto von meinem Vater und meiner Mutter. Es ist das Einzige, das ich von beiden zusammen habe. Ich würde mich nicht gern davon trennen, verstehst du.«
    Diamantis sah Nedim an. Der Kerl überraschte ihn immer wieder. Er war natürlich. Schnörkellos. Empfindsam. Ohne jede Schamhaftigkeit. Naiv. Aufrichtig, selbst in seinen Lügen und Feigheiten. Das ideale Opfer für jeden Betrug. Besonders wenn eine Frau ihn auf dem Tablett servierte.
    Schon allein deshalb wollte Diamantis mit dem Seesack zurückkommen. Er war in Stimmung dazu. Aufgepumpt von der Schönheit dieser Stadt und Mariettes Lächeln.
    »Ich gehe«, sagte er.
    »Lass mir eine Zigarette hier.«
    Diamantis warf drei auf den Tisch. Als er hinausging, faltete Nedim die Hände vor

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