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Aldebaran

Aldebaran

Titel: Aldebaran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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Welt. Sein Herz schlug bis zum Hals. Ein Glückstreffer, hatte er gedacht. Juju schleppte ihn von Bar zu Bar bis ins Milord gegen Ende der Nacht. Sie zu heiraten, nein, dazu war er nicht bereit, aber ihr zu schwören, dass er wiederkommen und sie holen würde, das ja, dazu war er bereit. Weil er unheimlich gern mit ihr schlafen wollte!
    Sie hatte sich an ihn gekuschelt und streichelte seine Brust. Ihre Hände waren fein und zart. Sie streifte Diamantis’ Mund leicht mit den Lippen. Dann glitt sie mit geöffneten Lippen über seinen Hals, Wangen, Ohr, kitzelte sein Ohrläppchen und kehrte schließlich zu seinen Lippen zurück. Ihre heiße Zunge klebte an der seinen. Er drückte sie liebevoll an sich.
    Als er die Augen wieder aufmachte, waren die Getränke, die vor fünf Minuten serviert worden waren, verschwunden. Juju winkte, dass man sie bediente, als sei nichts gewesen. Da hatte er begriffen. Ihm ging auf, dass er seine ersten beiden Getränke nicht einmal gekostet hatte.
    Er hatte protestiert.
    »Passt dir was nicht?«, hatte der Kellner gefragt.
    »Allerdings. Ich komme nie dazu, mein Glas auszutrinken.«
    »Man kann nicht alles haben, Kleiner. Trinken und die Mädchen abknutschen. Sie hat bestellt, ich schenke nach. Du hast doch hoffentlich nichts dagegen?«
    »Doch.«
    Juju hatte die Bank verlassen. Er entdeckte sie in der Nähe der Theke, eine Zigarette im Mund. Sie beobachtete. Sie wartete.
    Er sah den Schlag kommen, aber er war nicht schnell genug. Die Faust traf ihn am Kinn, und er sank auf der Bank zusammen, wobei er den Tisch umstieß. Der Typ war über ihm, bevor er hochkam. Er kassierte noch einen Schlag gegen die Schläfe. Fast hätte er das Bewusstsein verloren. Das Erscheinen von Hans und den anderen Seeleuten rettete ihn. Es wurde ein großes, allgemeines Handgemenge daraus, in dem sie nie die Oberhand gewannen. Die Bullen machten dem ein Ende. Juju sah er nie wieder, aber – ein schwacher Trost – die Getränke musste er nicht bezahlen.
    »Sie hauen uns alle übers Ohr«, war Nedims Kommentar. »Nun, das beruhigt mich. Hast du dir gedacht, wie ich, dass es schade um all die vergeudeten Gläser ist?«
    »Ich hab mir gar nichts gedacht, Nedim. Ich war ganz zufrieden, dass ich nicht um neunhundert Francs gerupft worden bin!«
    »Ja, klar, so kann man es auch sehen«, gab er zu, ohne auf den Seitenhieb einzugehen. »Trotzdem, Diamantis, diese Mädchen …«
    Diamantis hörte Nedim nicht mehr zu, antwortete ihm nicht einmal mehr. Er erzählte ihm auch nicht, dass er Amina kennen gelernt hatte, als er nach Marseille kam. Und dass sie Juju aufs Haar genau glich. Noch schöner. Denn Amina war nicht Juju. Sie war wirklich auf der Suche nach der Vazaha. Und er war derjenige, der sie getäuscht hatte.
    »Dug!«
    Eine Frauenstimme.
    »Was ist los?«, gab er zurück und drehte sich zur Tür für die Bediensteten.
    Diamantis nutzte die Gelegenheit, um seine Stellung leicht zu verändern. Eine junge Frau war aufgetaucht. Er nahm an, dass sie Lalla sein musste. Nedims Beschreibung traf hundertprozentig. Er war davon ausgegangen, dass Nedim sein Bild von ihr ausgeschmückt hätte, aber nein. Lalla war ein reines Wunder.
    »Kannst du einen Moment kommen?«
    »He! Ich hab zu tun.«
    »Eben. Genau darum gehts. Um den Kerl.«
    Dug sah Diamantis an, dann Lalla. Er ging zu Lalla, mit schwingenden Armen. Nur damit Diamantis seine Rückenmuskulatur zu schätzen wusste. Das fand Diamantis gar nicht komisch. Seine gute Laune verflog langsam.
    Dug verschwand im Hinterraum. Diamantis steckte sich eine Zigarette an und machte ein paar Schritte. Seine Besorgnis war in Ungeduld umgeschlagen. Er erstickte. Er wollte wieder an die frische Luft und die letzten Momente des Tages genießen. Diesen einmaligen Augenblick, wenn die untergehende Sonne die ockerfarbenen Gebäude am Quai de Rive-Neuve und schließlich den ganzen Hafen in flammendes Licht taucht.
    Dug kam wieder. Mit einer Hand schleifte er Nedims Seesack hinter sich her. In der anderen hielt er seinen Ausweis. »Ich schlage Ihnen ein Geschäft vor«, sagte Dug. Er sagte das ohne rechte Überzeugung. Jemand anders sprach aus ihm.
    »Ich höre.«
    »Ich geb Ihnen den Ausweis von dem Türken und den Seesack gegen Ihren eigenen Ausweis.«
    »Und ich bleche neunhundert Francs, wenn ich ihn wieder haben will.«
    »Ganz genau.«
    »Ihr wollt mich wohl verarschen.«
    »Der Türke ist doch Ihr Freund, oder? Er wird Sie nicht verarschen, Sie nicht.«
    Zum ersten Mal lächelte Dug.

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