Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
wußte, und Salisbury war schließlich gezwungen, all seine Güter abzugeben und das Land zu verlassen. Es heißt, die Herzogin habe sich nie von der Schande erholt und trauere unablässig um ihr früheres Leben. Edward wollte keinen zweiten derartigen Skandal heraufbeschwören, deshalb griff er nicht ein, als Phillippa die Sache mit Kate in die Hand nahm.«
Laut wunderte sich der Arzt: »Und doch wirken die beiden wie ein einträchtiges Paar mit großer Bewunderung füreinander.«
»Das sind sie auch«, sagte Chandos. »Sie haben einander selbst gewählt. So eine Heirat ist unter königlichen Personen selten.«
»Wie ist es dann möglich, daß solche Vorfälle ihre gegenseitige Zuneigung nicht beeinträchtigen?«
Sir John dachte einen Augenblick nach und sagte dann: »Sie hätten viel zu verlieren und wenig zu gewinnen, wenn sie sich auf die unangenehmen Vorkommnisse der Vergangenheit konzentrieren würden. Ich nehme an, beide haben den Willen und die Mittel, einander zu verzeihen, und tun das häufig. Aber es ist nicht erstaunlich, daß Kate Euch aufgefallen ist. Sie ist notorisch schwatzhaft.«
Das ist wirklich kein Wunder, dachte Alejandro bei sich. Ich hin manchmal so einsam, daß ich mit der Hauskatze über ihre jüngste Ausbeute an toten Ratten reden würde, wenn ich glaubte, sie würde mir antworten .
Sie erreichten die Tür zur großen Halle und wurden von der Wache dem König gemeldet. Dieser winkte sie herein, und Alejandro sah zu seiner Bestürzung, daß Isabella auf einem gepolsterten Stuhl neben ihrem Vater saß. Es bereitete ihm Verdruß, dem König seine Argumente gegen ihre Forderungen in ihrer Gegenwart unterbreiten zu müssen.
Nachdem Sir John sich verabschiedet hatte, wandte sich der König an Alejandro und begann, sich nach dem Vorfall am Morgen zu erkundigen. »Doktor Hernandez«, sagte er langsam und bedächtig, »meine Tochter teilt mir mit, daß es Meinungsverschiedenheiten zwischen Euch und ihr über den Zutritt ihres Schneiders zum Schloß gibt. Ich würde gern von Euch hören, wie Ihr die Situation beurteilt.«
Alejandro räusperte sich nervös. »Euer Majestät, ein Schneider kann ebensogut wie ein Bäcker oder ein Schmied den Auslöser der Pest, worin immer er bestehen mag, ins Schloß tragen. Wie ich deutlich gesagt habe, glaube ich, daß eine einzige kranke Person das ganze Schloß anstecken kann, und wir müssen darauf achten, daß wir nicht unwissentlich die Pestilenz in den sicheren Hafen einlassen, den wir auf Kosten unserer Freiheit hier geschaffen haben.«
Isabella hatte ihre Antwort parat, und als sie sprach, wurde Alejandro klar, daß sie bereits mit ihrem Vater geredet und die Grenzen dessen erkundet hatte, was sie erhoffen konnte, denn ihre Äußerungen waren milder, als er erwartet hatte.
»Doktor Hernandez, ich schlage einen Kompromiß vor. Können wir nicht ihn und seine Waren innerhalb des Schlosses in Quarantäne nehmen, bis wir sicher sind, daß er keine Ansteckung verbreitet? Ihr hattet diese Möglichkeit schon erwähnt.« Sie erhob sich von ihrem gepolsterten Sitz und begann händeringend auf und ab zu gehen. »Wenn der Mann nach einem Zeitraum von, sagen wir, sechs oder sieben Tagen keine Anzeichen der Krankheit aufweist, dürfen wir dann nicht annehmen, daß er harmlos ist?«
»Bedauerlicherweise, Prinzessin, kann ich das nicht mit Sicherheit sagen. Wir können einfach nicht mit Gewißheit feststellen, ob der Mann Euch und alle anderen arglosen Seelen innerhalb dieser Mauern anzustecken vermag oder nicht. Und der Zeitraum, den Ihr vorschlagt, ist viel zu kurz.«
Sie warf ihrem Vater einen flehenden Blick zu, der schweigend um seine Hilfe bat. Sie war jetzt eine ganz andere Frau als die zänkische und eigenwillige Person, die er am Morgen gesehen hatte. Sie gab sich liebenswürdig und unschuldig, ganz so wie bei ihrer ersten Begegnung, und Alejandro konnte gut verstehen, warum ihr Vater so schamlos in sie vernarrt war.
Ihr flehender Blick verfehlte seine Wirkung auf den König nicht. Er wandte sich selbst an den Arzt und sagte: »Ich glaube, daß Isabellas Vorschlag etwas für sich hat. Und ich möchte sie nicht leiden sehen. Vielleicht können wir einen nützlichen Kompromiß erreichen.«
Sie leidet, weil sie keinen Schneider hat? dachte Alejandro ungläubig. Er erinnerte sich an die zerlumpten, heimatlosen Kinder, die er auf den Straßen von Avignon gesehen hatte, Kinder, die keine Familien mehr hatten, sich um sie zu kümmern, und es widerte ihn an,
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