Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
froh, daß endlich jemand der ungezogenen Prinzessin Herr wurde; insgeheim wünschte sie sich, für all die groben Beleidigungen, mit denen Isabella sie in ihren Dienstjahren überhäuft hatte, ähnliche Rache nehmen zu können. Alejandro störte sie bei diesen Gedanken, indem er darum bat, Kate nach Sir John zu schicken. Die Nurse zog sich zurück, und Alejandro blieb in dem luxuriösen Salon allein.
Gleich darauf hörte er, wie eine Tür geöffnet wurde. Er sah sich um, erkannte Adele und merkte, wie sein Herzschlag für einen Moment aussetzte.
Ihre Schritte waren so leicht, daß sie fast in seine Richtung zu schweben schien; ihre Röcke raschelten, und in ihrem hellen Kleid wirkte sie klein und zart wie ein Porzellanpüppchen. Von ihrer Haube hing ein dünner Schleier herunter, der sich weich um ihre Schultern legte, als sie vor ihm stehenblieb. Einige Strähnen ihres roten Haars hatten sich aus der Haube gelöst, und er sehnte sich danach, mehr von seiner Fülle zu sehen. Lächelnd stand sie vor ihm, und er nahm ihr Bild gierig in sich auf.
In seiner Phantasie legte er einen Arm um ihre Taille und zog sie an sich, während er ihr mit der anderen Hand die Haube und den Schleier abstreifte und ihr herrliches Haar frei über ihren gebogenen Rücken fließen ließ; dann nahm er die Masse der seidigen Locken in die Hand und preßte sie an sein Gesicht, atmete tief den berauschenden Duft ein. In Wirklichkeit allerdings erhob er sich rasch und verneigte sich höflich vor ihr. Sie erwiderte seine respektvolle Geste, indem sie anmutig knickste; dann versetzte sie ihn dadurch in Erstaunen, daß sie ihm die Hand reichte. Ohne nachzudenken nahm er sie, führte sie an die Lippen und küßte sie lange, wobei er intensiv in ihre grünen Augen starrte. Sie zuckte nicht zurück und entzog ihm auch ihre Hand nicht. Schließlich konnte Alejandro das wilde Pochen seines Herzens nicht mehr ertragen; er fürchtete, es werde platzen und ihn so weiterer Freuden berauben. Deshalb ließ er langsam und voller Bedauern ihre Hand los.
Welch seltsame Besessenheit läßt mir das Blut wie Feuer durch die Adern schießen? Ich habe diese Dame nur wenige Male gesehen und nie mit ihr gesprochen, und trotzdem hin ich gefangen von ihrem Zauber. Alejandro kämpfte darum, Haltung zu bewahren, und schwieg verlegen, denn er wußte, wenn er jetzt zu sprechen versuchte, würde er nur krächzen können. Sein Mund war trocken.
»Guten Tag, Doktor Hernandez«, sagte sie.
Warum hat Gott ihr auch noch die Stimme eines Engels gegeben, um mich weiter zu verzaubern? dachte er unglücklich.
Die himmlische Stimme sprach weiter: »Ich bin Adele de Throxwood, und ich diene Prinzessin Isabella als Gefährtin und Vertraute. Sie hat mich gebeten, als Zeugin eines Handels zwischen Euch anwesend zu sein, und ich gehorche ihr mit Freuden.«
Alejandro, der endlich seine Stimme wiedergefunden hatte, dankte ihr und fügte hinzu: »Sir John wird ebenfalls kommen.«
Dann ließ ihn seine große Verlegenheit wieder verstummen. Er hatte nie zuvor eine Frau geküßt, noch nicht einmal eine Frauenhand, und wie es unter seinem Volk üblich war, hatte er angenommen, die erste Frau, die er berührte, werde seine Braut sein. Was würde diese elegante Dame sagen, wenn sie seine wahre Identität entdeckte? Würde sie angewidert zurückzucken, entsetzt über seine böse Täuschung?
Wie selbstzufrieden er in dieser kurzen Zeit fern von Menschen seiner eigenen Art geworden war; wie leicht er seine Vergangenheit einfach vergessen und dieses privilegierte Leben im Dienst eines fremden Königs führen konnte, wie leicht er sich den Umständen anpaßte! Die Trennungslinien zwischen Christen und Juden waren streng und wurden selten überschritten; er wußte, es war völlig undenkbar, daß er sich auf eine Romanze mit einer christlichen Dame von edler Geburt einließ. Er schauderte bei dem Gedanken, welche Strafe ihr Lehnsherr ihm dafür auferlegen würde, im Falle von Adele König Edward persönlich, da sie im Haushalt seiner Tochter lebte.
Sie muß annehmen, ich stamme aus dem spanischen Adel, und daher dürfe sie mit mir kokettieren. Sie weiß nicht, daß ich nicht von ihrem Stand bin. Guter Gott, warum hast du mich sicher hierhergeführt, nur, um mich dann mit etwas zu quälen, das ich niemals haben kann?
Adele nahm auf einer dick gepolsterten Bank Platz und winkte Alejandro, sich zu ihr zu setzen, was er sofort tat. Als sie nebeneinander saßen, beugte sie sich zu ihm und sagte in
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