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Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel

Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel

Titel: Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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seine Eintragungen und räumte das Buch fort; dann machte er sich an die gräßliche Arbeit, beide Lungenflügel wieder in ihre ursprüngliche Position zu bringen, während der Junge die Gliedmaßen so ordnete, daß die Reste der zerschnittenen Leichentücher wieder darumgelegt werden konnten.
    Er trat ans Fenster und spähte durch eine Ritze, um festzustellen, wie spät es war. »Die Sonne wird bald untergehen«, sagte er zu dem Jungen, »wir können den Leichnam heute nacht wieder begraben.« Er war ungeheuer erleichtert, daß diese selbstauferlegte Mühsal bald zu Ende sein würde. »Nicht mehr lange, dann können wir die Läden öffnen und diesen üblen Geruch in die Dunkelheit entweichen lassen«, fügte er hinzu. Der Junge sagte nichts, nickte aber zustimmend.
    Sie legten wieder die Reisekleidung an, die sie in der vergangenen Nacht getragen hatten, obwohl diese unbeschreiblich schmutzig war. Das, was sie bei der Untersuchung des Leichnams angehabt hatten, stank nach Tod und Verfall; diese Gerüche ließen sich auch mit der stärksten Seife nicht entfernen. Sie warfen die Sachen in eine Ecke des Stalls, um sie später zu verbrennen, denn es würde neugierige Aufmerksamkeit erregen, wenn sie es in einer so heißen Nacht taten.
    Durch den Gang trugen sie den wieder verhüllten Leichnam in den Stall und legten ihn hinten auf den Karren. Nachdem sie ihn sorgfältig mit dem Heu bedeckt hatten, öffnete Alejandro die Stalltür und führte das Maultier vor den Karren, um es anzuschirren. Dabei stellte er fest, daß dessen stürmisches Temperament im Laufe des vergangenen Tages nicht fügsamer geworden war, denn es wollte nicht mithelfen. Dieses Vieh hat gewiß kein übergroßes Herz, dachte der Doktor angewidert, denn seine Veranlagung ist kleinlich und gemein. Nach einigem Streicheln und guten Worten war der Maulesel schließlich besänftigt; rasch legte Alejandro ihm die Ledergurte um den Bauch, solange er Gelegenheit dazu hatte.
    Nach der stundenlangen Arbeit pochte die Hand des Jungen wieder, und er begann sich weinerlich zu beklagen, der Schmerz sei unerträglich.
    Trotz seiner Ungeduld, endlich aufzubrechen, schickte Alejandro ihn in den Operationsraum zurück und ließ ihn eine Flasche Wein holen. »Wenn du schon betäubt werden mußt«, sagte er, »soll es wenigstens ohne Schmerzen geschehen.« Während er auf den Jungen wartete, führte er das Maultier aus dem Stall und auf den Pfad in Richtung Straße.
    Die kühlere Abendluft war eine Wohltat für seine brennenden Lungen; er fühlte sich, als stünde seine Brust in Flammen nach dem Gestank bei der Sektion und der heißen Luft, die er während des langen Tages hatte einatmen müssen. Tief und geräuschvoll atmete er die süße Nachtluft ein und überhörte dabei eine Bewegung in der Nähe.
    »Jude.«
    Alessandro erstarrte vor Schreck beim Klang der jungen Frauenstimme. Wie hatte er übersehen können, daß da jemand war?
    Wieder sagte sie: »Jude!« Diesmal lauter und kräftiger. Ohne hinzusehen wußte er, daß die Stimme dem Mädchen gehörte, das ihn am Brunnen so vorwitzig angesehen hatte. Sicher würde sie es nicht riskieren, mit mir ertappt zu werden, vor allem bei Dunkelheit! dachte er. Wortlos sah er sich nach ihr um, und ihre Blicke begegneten sich.
    »Reagieren Männer Eurer Art immer so ungnädig, wenn sie von einer Dame angesprochen werden?«
    Alejandro antwortete leise und absichtlich unfreundlich. Er wollte nicht, daß dieses Mädchen seine Absichten mißverstand. »Werte Dame«, sagte er und gestand ihr damit eine respektvolle Anrede zu, die sie gewiß nicht verdiente, »Männer meiner >Art< gestatten sich die Gesellschaft einer jungen Frau nicht, wenn dies aufgrund ihrer verschiedenen Stellungen im Leben nicht ratsam ist.« Er hoffte, sie würde annehmen, er räume ihr eine höhere Stellung ein, weil sie Christin war; er wollte nicht erklären, was er wirklich meinte.
    Sie lachte, warf ihr langes, dunkles Haar auf eine Art zurück, die ihn erregen sollte, und sagte: »Ich halte es nicht für eine Sünde, die Gesellschaft eines gutaussehenden Mannes zu genießen, selbst wenn er unerklärlicherweise als Bettler verkleidet ist. Als ich Euch heute morgen am Brunnen sah, dachte ich, Ihr wolltet allen Damen gefallen. Ich gestehe, daß Euer Aussehen mir gefiel. Doch das ist eine andere Geschichte! Sagt mir, bezahlen Eure Patienten Euch nicht, oder reist Ihr heute abend zu einer Maskerade?«
    Alejandro erfand rasch eine Geschichte, mit der er ihre

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