Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
spritzen. Morgen brauchen Sie dann wieder neue Injektionen.« Eines der angeblichen »Antibiotika« war in Wirklichkeit ein starkes Beruhigungsmittel mit Langzeitwirkung, das sie für eine Weile außer Gefecht setzen sollte. »Sie sind beide ziemlich stark. Es würde mich nicht überraschen, wenn es die Nebenwirkung hätte, Sie ziemlich benommen zu machen.«
Ihr Gesicht nahm einen argwöhnischen Ausdruck an. »Ich habe noch nie von einem Antibiotikum gehört, das einen schläfrig macht.«
Ted brauchte ein paar Sekunden, um sich eine plausible Erklärung auszudenken. »Äh, nun ja, nicht schläfrig, wie man es normalerweise versteht, sondern eher . diese Medikamente sind ziemlich stark, und manchmal können sie für den Körper so eine Art >Schock< sein, und der Patient fühlt sich recht müde. Sie sollten wirklich im Bett bleiben, während Sie sich erholen, wenn es irgend möglich ist.«
Das war etwas unbeholfen, er wußte es, aber es schien sie zufriedenzustellen. »Nichts tue ich lieber, glauben Sie mir«, sagte sie. »Aber ich muß bald wieder auf den Beinen sein. Wir haben einen Abgabetermin, und Janie wird meine Hilfe brauchen. Ich möchte sie nicht noch unglücklicher machen, als sie ohnehin schon ist.«
Ted zweifelte nicht daran, daß Janie unglücklich sein würde, aber nicht aus den Gründen, an die Caroline dachte. Er hatte keine der Nachrichten beantwortet, die Bruce ihm aus Leeds übermittelt hatte, und hatte auch nicht Janies wegen im Depot angerufen, obwohl man ihn darum gebeten hatte. Wenn sie schließlich nach London zurückkehrten, würden sie Erklärungen von ihm erwarten, aber Ted hatte schon beschlossen, Bruce (natürlich unter vier Augen und mit der Hoffnung auf Verständnis) zu erklären, er sei krank gewesen und hätte das nicht bekanntmachen wollen. Er würde sagen, er wäre mit abgeschaltetem Piepser zu Hause geblieben, damit er sich erholen konnte, ohne gestört zu werden; Bruce würde das verstehen. Ob Janie es verstand oder nicht, war ihm gleichgültig.
»Na«, sagt er und zog seinen Stuhl näher an das Bett heran, auf dem sie saß, »dann wollen wir mal, damit Sie möglichst bald wieder an Ihrem Projekt arbeiten können und ich an meinem. Krempeln Sie bitte Ihren Ärmel hoch.«
Sie tat es. Er riß einen Beutel mit einem Alkoholtupfer auf und wischte einen Bereich auf ihrem Oberarm damit ab. Dann zog er eine der Spritzen mit dem Antibiotikum auf und klopfte dagegen, bis die Luftbläschen nach oben stiegen. Er betätigte leicht den Drücker, bis alle Luft entwichen war, und faßte dann Carolines Handgelenk. »Halten Sie jetzt still«, sagte er. »Es dauert nur eine Sekunde.« Er stach mit der Nadel rasch in das Fleisch ihres Oberarms und drückte den Kolben hinunter.
Caroline haßte Spritzen; es kam ihr immer vor wie eine kleine Vergewaltigung, wenn die Nadel in ihr Fleisch drang. Sie beobachtete Teds ausdrucksloses Gesicht, während er ihren Arm festhielt und die Nadel herauszog.
»Noch eine, und dann sind wir fertig«, sagte er.
Gott sei Dank, dachte sie. Sie spürte den Einstich und die Flüssigkeit, die sieb im Muskel ihres Oberarms verteilte, und endlich war die Nadel wieder draußen. Ted steckte die beiden benutzten Spritzen und die Alkoholtupfer in eine Plastiktüte und diese in seine Tasche.
»Ich bleibe noch ein paar Minuten, bis ich sicher bin, daß Sie nicht allergisch reagieren, und dann gehe ich. Ich rufe Sie morgen früh an und frage, wie es Ihnen geht. Sie brauchen mich nicht hinauszubegleiten; ich ziehe die Tür hinter mir zu.«
Caroline spürte, wie sie müde wurde, und war schockiert, daß ein Antibiotikum eine solche Wirkung auf sie haben konnte. Die Sekunden vergingen, und sie verlor mehr und mehr die Kontrolle über sich; schließlich machte sie die Augen zu und sank in Schlaf.
Sofort setzte der Traum erneut ein; wieder war sie darin der dunkle junge Mann und befand sich in einem Gutshaus oder einem anderen großen, steinernen Gebäude. Sie beobachtete eine Frau, die ihrem eigenen wachen Selbst glich und die sich vor einem Feuer das Haar trocknete. Als Mann in ihrem Traum betrachtete sie diese Frau mit schmerzhafter Liebe; sie stöhnte im Schlaf unter dem Widerstreit ihres Unbehagens und seines Verlangens.
Ted betrachtete sie von einem Stuhl neben dem Bett und wunderte sich, warum ihre Hand plötzlich an ihren Hals fuhr, als wolle sie etwas verbergen. Vielleicht träumt sie von ihren Flecken, dachte er. Er war unglaublich müde; er konnte kaum von seinem
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