Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
waren, hätte sich eigentlich schon bemerkbar machen müssen. Doch er konnte keine Besserung spüren, seine Energie hatte um keinen Deut zugenommen, und er machte sich von Stunde zu Stunde größere Sorgen.
Endlich erreichte er die Tür mit der Nummer, die Caroline ihm genannt hatte. Hinter ihm an der Wand hing ein Spiegel; er drehte sich um, um sich anzusehen, bevor er klopfte, und sich zu vergewissern, daß seine sorgfältigen Vorbereitungen seine immer schlechter werdende Verfassung wirklich verbargen.
Gott sei Dank, dachte er, während er sich musterte; das Fieber gibt mir eine schöne rosige Ge- sichtsfarbe . Er zog am Halsausschnitt seines Pullovers, um ihn zu weiten, denn er fühlte sich jetzt noch knapper und beengender an als am Vortag. Er hatte es geschafft, mit einem Taxi herzukommen, ohne Verdacht zu erregen, doch keiner hatte sich ihm so weit genähert, daß er ihm in die Augen hätte sehen können. Mit Caroline würde er allerdings in nähere Berührung kommen, doch er hoffte, daß sie mit ihrer eigenen Verfassung zu beschäftigt war, um auf seine zu achten.
Er hob die Hand, um anzuklopfen, hielt dann aber inne. Er schaute den Gang auf und ab, bis er an einer Tür in der Nähe ein BITTE-NICHT- STÖREN-Schild hängen sah. Er nahm es ab, verbarg es hinter seinem Rücken, klopfte an und starrte dann auf seine Füße, während er auf Carolines Reaktion wartete.
Sie läßt sich Zeit, dachte er nervös und hoffte, daß niemand vorbeikam und ihn warten sah. Wenn mit Caroline etwas schiefging, wollte er keine Zeugen.
»Wer ist da?« kam es schwach von der anderen Seite der Tür.
Er trat so dicht wie möglich an die Tür und sagte so leise, daß es hoffentlich nur Caroline hören konnte: »Ich bin’s, Ted.«
Er war erleichtert, als Caroline die Tür öffnete, und ziemlich sicher, daß ihn aus den benachbarten Zimmern niemand hatte hören können. Beim Eintreten hängte er das BITTE-NICHT-STÖREN- Schild außen an die Tür, ohne daß Caroline es bemerkte.
Als er sie sah, erfaßte ihn blankes Entsetzen. Ihr flammend rotes Haar war stumpf und zerzaust, ihre Haut geisterhaft bleich. Sie sah unverkennbar krank aus, so krank, daß es niemandem entgehen würde. Er schämte sich sehr, die Ursache ihrer Krankheit zu sein, aber er wischte die Schuldgefühle beiseite, denn im Augenblick waren sie nicht wichtig; er mußte den Schaden begrenzen, und dazu mußte er als erstes ihr Aussehen verbessern. Er brauchte ihr volles Vertrauen und wollte sie auf keinen Fall vor den Kopf stoßen; deshalb mußte er mit seinen Vorschlägen taktvoll vorgehen. Sie wird beleidigt sein, wenn ich ihr rate, sich zu waschen, dachte er ängstlich, aber ich kann nicht zulassen, daß jemand sie so sieht.
Er hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen; Caroline mißdeutete seinen verwirrten und schuldbewußten Blick als Abscheu vor ihrem Aussehen und zog ihren Morgenrock enger um sich. »Ich sehe schrecklich aus, ich weiß«, sagte sie. »Lassen Sie mir Zeit, mich ein bißchen zurechtzumachen.«
Wirklich erstaunlich, was man mit einem angemessen mißbilligenden Blick ausrichten kann, dachte er und sagte: »Unsinn.« Er trat ein. »Sie sehen nur ein bißchen müde aus, das ist alles, und es ist ganz normal. Ein paar Tage Ruhe, und alles ist wieder in Ordnung.«
Aber sie wankte bereits ins Badezimmer, eine Jeans und ein Flanellhemd umklammernd, und als sie nach ein paar Minuten wieder herauskam, wirkte sie ein bißchen frischer Ihr Haar war ordentlich gekämmt und zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden, was ihm Sorgen machte, denn nun, da ihr Hals frei war, konnte man die Verfärbungen deutlich sehen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie sie selbst bemerkte.
»So, hoffentlich sehe ich jetzt ein bißchen besser aus«, sagte sie. Sie setzte sich auf das zerwühlte Bett, und Ted bemerkte, wie steif ihre Sitzhaltung war. »Ich fühle mich ein bißchen menschlicher, aber nicht viel.« Mit einer Hand rieb sie ihren Hals und zuckte dabei sichtbar zusammen. Sie schaute zu Ted auf, merkte, daß er sie anstarrte, und fühlte sich unbehaglich. Sie lächelte schwach, um den Bann zu brechen, unter dem er zu stehen schien. »Erzählen Sie mir von dieser Medizin«, sagte sie.
Was gibt es da zu erzählen? dachte er. Das ist ganz einfach. Ich gebe dir Spritzen, und entweder geht es dir danach besser oder nicht. Aber wie auch immer, du wirst dieses Zimmer erst einmal nicht verlassen ...
»Ich habe zwei Antibiotika mitgebracht, und ich werde Ihnen beide
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