Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
falkenhaften Masken einen bizarren Anblick.
Doch trotz ihrer närrischen Erscheinung waren sie hochwillkommen. Die Bewohner des Schlosses hungerten derart nach Nachrichten aus der Außenwelt, daß die beiden Männer erwartet wurden wie fremde Potentaten oder hohe kirchliche Würdenträger.
Der Arzt eilte die Treppen hinunter und in den Hof. Dort fand er Sir John und unterrichtete ihn über die Vorgehensweise, die beim Einlassen der beiden Reiter beachtet werden mußte. »Matthews und Reed müssen all ihre Habseligkeiten abladen und ihre Pferde in den äußeren Stall führen. Dort sollen sie ihre Überkleider und Stiefel ausziehen. Wenn sie über die Zugbrücke kommen, müssen sie direkt zur Kapelle gehen und dürfen niemanden berühren. Dort werden sie frische Kleider finden und können sich wieder ankleiden, wie es sich gehört.«
Trotz Alejandros Ernst lächelte Sir John. »Ich denke, Matthews hat nichts dagegen, unbekleidet zu sein, selbst vor den Damen, denn er weiß um seine Reize und prahlt gern mit seinen Fähigkeiten bei Frauen. Er wird wie ein Pfau herumstolzieren, statt verschämt über den Hof zu schleichen.«
»Trotzdem darf er nicht stehenbleiben und sich niemandem nähern. Er muß den schnellsten und direktesten Weg nehmen.«
Er wandte seine Aufmerksamkeit der Menschenansammlung zu, die in den letzten paar Minuten beträchtlich angewachsen war. Auch Isabella und der Schwarze Prinz waren schon unter den neugierigen, aufgeregten Zuschauern. Die Verwirrung wurde noch durch die Ankündigung des Ausrufers gesteigert, daß König Edward persönlich nahe. Obwohl seine Aufgabe ihn stark in Anspruch nahm, konnte Alejandro es nicht lassen, sich nach Adele umzuschauen. Seine suchenden Blicke wurden durch den Schimmer ihres kupfernen Haars belohnt, und als ihre Augen sich trafen, lächelte sie ihm zu. Für einen Moment vergaß er die Verwirrung ringsum.
Ihr Lächeln gab ihm Kraft. Ich muß diese Menge unter Kontrolle bringen! dachte er in panischer Angst; sonst wird die Rückkehr nicht so verlaufen, wie ich es geplant habe! Er sprang auf eine steinerne Bank, schwenkte wild die Arme und schrie den laut redenden Menschen zu, sie sollten ihm genau zuhören. Als der Lärm endlich verebbte, überraschte er die Zuhörer, indem er seinen Vortrag in stockendem, aber verständlichem Englisch hielt.
»Alle jene, die keine Infektion mit der Pest riskieren wollen, sollen den Weg freimachen.«
Sofort hörte man beunruhigtes Raunen, und Alejandro sprang wieder zu Boden und ging mit festen Schritten auf die Zugbrücke zu. Er nahm einem der Wachleute eine Fahnenstange ab und zog damit eine Linie auf der Erde, wobei er die Umstehenden anwies, ihm Platz zu machen. Die Linie führte vom Tor zur Kapelle. Dann zog er parallel dazu eine zweite Linie von der Kapelle zum Tor und schuf so einen breiten Weg, auf dem die Reiter zur Kapelle gehen sollten.
»Macht diesen Männern Platz: Niemand darf sie anhalten; faßt sie nicht an, gebt ihnen nichts, und nehmt auch von ihnen keine Gegenstände an. Jeder, der diese Linie überschreitet, wird mit ziemlicher Sicherheit von jeder Ansteckung getroffen, die diese beiden Männer vielleicht mit sich tragen.«
Rasch wichen die Zuschauer hinter Alejandros imaginäre Mauer zurück und verstummten erwartungsvoll. Alejandro näherte sich dem König, der zusammen mit Königin Phillippa weit hinter der Linie in der Mitte des Hofes stand.
»Eure Majestät, ich bedaure diese Unbequemlichkeit. Die Männer werden in ein paar Minuten untergebracht sein, und die Wachen können die Leute vertreiben, wenn Ihr das wünscht.«
»Wahrhaftig, Doktor Hernandez, ich möchte ein Wort mit diesen beiden Männern reden, wenn sie endlich in ihrer Unterkunft sind. Und der Menge möchte ich ihr Vergnügen nicht nehmen. Die Leute sind genauso begierig wie ich auf Nachrichten aus der Außenwelt. Ich kann mein Königreich unmöglich regieren, ohne zu wissen, was darin vorgeht.«
Alejandro wußte, daß er diese Möglichkeit hätte vorhersehen sollen, aber er hatte es nicht getan und daher keine Antwort parat. Jetzt würde er die Dinge dem König zuliebe beschleunigen müssen. »Euer Majestät«, sagte der Arzt und dachte sich seine Erklärung aus, während er sprach, »es wird eine Weile dauern, ehe die beiden bereit sind, Euch zu sehen. Sie müssen sicher untergebracht sein, und man muß sich um ihre Habseligkeiten kümmern. Ich flehe Euch an, geduldig zu sein.« Doch Edward, der das Eingesperrtsein ebenso satt hatte
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