Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
dabei rauskommt, sind wir verantwortlich.«
Sie sprachen über die Schwierigkeiten, die sie mit ihrem Vorgesetzten gehabt hatten, einem politischen Beamten mit den richtigen Vorfahren und geringer Entscheidungsfähigkeit, der einmal zu unbegründeten Schlußfolgerungen gelangt war und einen unschuldigen amerikanischen Staatsbürger wegen eines geringen Verstoßes gegen die Biosicherheitsvorschriften verhaftet hatte. Seine Stümperei hatte fast zu einem internationalen Zwischenfall geführt, und einer ihrer damaligen Kollegen war darüber gestürzt und hatte seinen Job und seine Pension verloren. Keiner der Wachleute, die sich um Janie kümmerten, wollte die Situation so weit eskalieren lassen. Sie wußten, sie waren verpflichtet, die Prozedur durchzuführen, doch sie wollten die Angelegenheit möglichst klein halten, bis sie zu weiteren Untersuchungen bevollmächtigt waren.
Einer von ihnen sagte: »Ich denke, sie sagt die Wahrheit. Seht euch hier mal ihre Zahlen an.« Er wies auf die diagnostischen Werte der Zeitspanne, in der Janie die Fragen über ihre Mutterschaft beantwortet hatte. Sie verglichen ihre Körperreaktionen mit den Fragen, die sie stellten, und verglichen die biologischen Indikatoren mit den zu erwartenden Werten für die Art ihrer Reaktion wie ein altmodischer Lügendetektor. »Sieht so aus, als hätte sie bei den Ausbrüchen ein Kind verloren. Die Frage muß sie aufbringen. Dieser Anstieg der Linie besagt, daß sie aufgebracht war. Ich denke, wir sollten weitermachen. Ich glaube nicht, daß wir es hier mit einer Terroristin zu tun haben.«
»Wahrscheinlich nicht«, sagte der andere. »Vielleicht hat sie wirklich bloß einen Ohrring verloren.« Er drückte ein paar Tasten auf seiner Computertastatur und schaute auf den Bildschirm. »Merman«, sagte er. »Keine Vorgeschichte irgendwelcher krimineller Aktivitäten; keine Verbindung zu irgendeiner bekannten Gruppe, zumindest nicht in Europa. Ich wünschte, wir könnten diese Information aus den U.S.A. bekommen; ich verstehe nicht, warum sie uns keinen Einblick geben.«
»Sie wollen, daß wir erst nett darum bitten.
Aber wenigstens lassen sie uns die biologischen Werte sehen. Und sie stimmte mit nichts überein, was in unseren Dateien steht, als sie die Lichtschranke durchbrach. Wenn sie drüben verhaftet oder auch nur vernommen worden wäre, hätten wir irgendeinen Hinweis darauf, und sei er noch so klein. Da ist aber nichts. Also laßt sie uns einfach printen und Schluß.« Alle waren einverstanden und nickten.
Der Mann schaltete den Lautsprecher wieder ein.
»Gut, Miss Merman, das waren alle Fragen. Gleich kommt die Wärterin und schließt Sie an.«
Caroline lag verwirrt und erschrocken auf der Treppe zwischen dem fünften und sechsten Stock des Hotels und versuchte sich verzweifelt zu erinnern, wie sie in diese Lage gekommen war. Sie war die Treppe heruntergefallen und für ein paar Augenblicke bewußtlos gewesen, und nun kam sie langsam wieder zu sich. Sie wußte, daß sie sich in einem Treppenhaus befand, aber sie wußte nicht, warum; ihr fiel nur ein, daß es gut wäre, so schnell wie möglich da herauszukommen. Da es weniger anstrengend war, abwärts zu gehen als aufwärts, bewegte sie sich halb kriechend und halb rutschend die kalten Betonstufen hinunter.
Als sie endlich den Fuß der Treppen erreicht hatte, sah sie eine Tür mit einem roten AUSGANG-Schild darüber und beschloß, durch diese Tür hinauszugehen. Sie hatte keine Ahnung, was sich dahinter befand, aber schlimmer als eine dunkle Betontreppe konnte es nicht sein. Sie stand auf, lehnte sich schwankend gegen die Stahltür und drückte die Klinke herunter. Kaum war es ihr gelungen, die Tür zu öffnen, ertönte direkt über ihrem Kopf ein lauter Alarm und versetzte sie in Panik. Der Lärm drohte ihr den Kopf platzen zu lassen; sie preßte die Hände auf die Ohren, stürzte aus der Tür und fand sich in einem kleinen, grasbewachsenen Hof zwischen ihrem Hotel und dem nächsten Gebäude wieder. Sie wollte nur möglichst schnell ungesehen verschwinden, und so lief sie nicht auf die gut erleuchtete Straße, sondern in die entgegengesetzte Richtung, in eine dunkle Gasse hinter dem Hotel.
Dort ruhte sie sich ein Weilchen aus und lauschte, wie infolge des Alarms die Feuerwehr eintraf. Wenn sie durch den Durchgang zur Straße schaute, konnte sie die wandernden Taschenlampen sehen, mit denen die Feuerwehrleute das Gelände absuchten. Sie wußte, sie mußte hier verschwinden, wenn sie
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