Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
Welt um ihn herum war in seinem Herzen alles in Ordnung. Wieder und wieder tauschten Adele und er Blicke, erlebten noch einmal das tiefe Glück ihrer gegenseitigen Entdeckung; ihre Augen trafen sich, und ein Strom von Gefühlen, fast schmerzhaft intensiv, durchtoste ihn wie eine reißende, aber willkommene Flut.
Sie hatte seine Narbe nicht bemerkt. Und wenn sie nicht so jungfräulich gewesen wäre wie er selbst, hätte sie vielleicht erkannt, was ihn von einem Mann unterschied, der nicht ein Stück seines Fleisches Gott gegeben hatte, aber sie hatte nichts gesagt; alles, was sie geäußert hatte, waren Worte der Liebe und ekstatische Seufzer gewesen, Laute, die noch immer in seinen Ohren widerhallten.
Während sie jetzt dahinritten, sprach Adele fast förmlich mit ihm, da sie die neue Intimität zwischen ihr und Alejandro nicht verraten wollte, solange Kate sie zusammen sehen konnte.
»Wir haben unser Ziel erreicht, Monsieur«, sagte sie steif und nickte in Richtung eines bescheidenen, aber solide aussehenden Hauses unmittelbar vor der nächsten Wegkreuzung.
Alejandro saß ab und hob dann Kate von dem Pferd, auf dem sie gemeinsam mit Adele ritt. Er räusperte sich nervös und versuchte, Kate die Dinge, die er ihr sagen mußte, bevor sie hineinging, mit möglichst sanfter Stimme mitzuteilen.
»Ich weiß, die Nurse hat Euch gesagt, daß Eure Mutter schwer krank ist«, sagte er zu dem Kind. »Gott wird sie zu sich nehmen, und sie wird bei den Engeln leben.«
Kate kniff fest die Augen zu und kämpfte gegen ihre Tränen an; Alejandro suchte in seinen vielen Taschen, bis er ein kleines Tuch fand, und reichte es dem ängstlichen kleinen Mädchen, das tapfer um Fassung rang. Sie nahm sein freundliches Angebot mit schwachem, aber dankbarem Lächeln an und wischte sich die Augen.
»Kate«, sagte er, »Eure Mutter sieht vielleicht nicht mehr so aus wie bei Eurer letzten Begegnung. Die schreckliche Krankheit hat sicherlich ihre Schönheit angegriffen.«
Die Kleine nickte eifrig, um zu zeigen, daß sie verstanden hatte, aber ihre skeptischen Begleiter bezweifelten, daß sie von dem, was sie sehen würde, unberührt bleiben würde.
»Der König hat mir strengen Befehl gegeben, Euch mit all meinen medizinischen Kenntnissen vor Ansteckung zu bewahren, denn er empfindet noch immer große Zuneigung zu Eurer Mutter. Er selbst konnte uns nicht begleiten, aber er möchte, daß Ihr Gelegenheit habt, Eure Mutter noch einmal zu sehen.«
Die Kleine schniefte, hob dann langsam die Augen und sah Alejandro direkt an.
Alejandro lächelte. »Gutes, tapferes Kind! Ich habe einige Kräuter in einer Maske mitgebracht, und Ihr müßt mir versprechen, daß Ihr sie brav tragen werdet, wenn Ihr in diesem Haus seid, denn sonst lauft Ihr Gefahr, Euch ebenfalls anzustecken. Und noch etwas, Kate, so leid es mir tut: Ihr dürft Eure Mutter nicht umarmen, nicht einmal berühren, denn dabei könnte die Pest aus ihrem Körper direkt in Euren wandern. Der König würde sehr zornig werden, wenn Ihr mir in dieser Angelegenheit nicht gehorcht, und ich habe nicht den Wunsch, noch mehr von seiner Wut auf mich zu ziehen.«
Kate nickte wieder mit ergreifendem Ernst und wischte sich die Nase am Ärmel ab.
»Würde es Euch helfen, wenn ich Euch sage, daß ich Euren Kummer verstehe, meine kleine Freundin?« fragte der Arzt. »Ich wurde auf einer Reise nach Frankreich von meiner Mutter und meinem Vater getrennt, kurz bevor ich vom Leibarzt des Papstes zu diesem Dienst gepreßt wurde.«
Endlich sprach die Kleine und verriet dabei ein Temperament, das ihre Verwandtschaft mit Isabella erkennen ließ. »Aber Eure Eltern müssen alt gewesen sein! Meine Mutter ist jung und schön, und es ist nicht gerecht, daß sie sterben muß!« Sie schluchzte und stürzte sich in Alejandros Arme, und er tröstete sie, so gut er konnte.
Bevor sie an die massive Tür klopften, banden sich die drei Reisenden ihre Stoffmasken vor, die mit einer schützenden Mischung aus Alejandros restlichen getrockneten Kräutern und Blättern gefüllt waren. Als die Dienstmagd ihnen die Tür öffnete, wich sie abrupt zurück, da die drei Ankömmlinge mit ihren schnabelähnlichen Masken und den schwingengleichen Umhängen eine deutliche Ähnlichkeit mit riesigen Vögeln hatten. Die Dienerin hatte Angst vor einem Überfall und wußte, daß ein Haus, in dem nur Frauen wohnten, schlecht zu verteidigen war. Beinahe hätte sie die Tür wieder zugeschlagen.
»Wartet«, sagte Adele schnell. »Wir sind
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