Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
Abgesandte des Königs, und dies hier ist das Kind der Lady, nach dem sie verlangt hat. Gebe Gott, daß wir nicht zu spät gekommen sind.«
Mit einer dramatischen Geste hob die Dienstmagd die Hände, legte sie rasch zusammen und flüsterte: »Dank sei dir, gesegnete Jungfrau, daß das Kind heil hier angekommen ist, und Gott ver- fluche König Edward für seine Verantwortungslosigkeit!« Dann öffnete sie die Tür wieder und winkte sie eilig hinein. »Hier drinnen ist es schon kalt genug, und die Lady hat es in keinem Augenblick mehr warm! Kommt herein und macht die Tür zu, um kalten Zug und böse Dünste fernzuhalten! Schnell, ehe die schlechte Luft hereinkommt!«
Während sie ihnen die Umhänge abnahm, wurde die Dienerin ernst und sagte: »Es ist noch nicht zu spät, aber ich fürchte, sie wird nicht mehr lange leben. Sie hat nur wenig gesprochen, seit sie heute morgen erwacht ist, nur geächzt und gestöhnt und dergleichen; sie klagt über Kälte, also decke ich sie zu, aber gleich darauf wirft sie die Decken wieder ab. Sie murmelt vor sich hin wie eine Verrückte, und dann wieder hält sie den Mund fest geschlossen. Es kann nicht mehr lange dauern.«
Adele übersetzte Alejandro diese Mitteilung, denn sie wußte, daß er Schwierigkeiten hatte, das ziemlich gewöhnliche Englisch der Dienerin zu verstehen; dann sagte sie der Magd, der Herr sei Arzt und geschickt worden, um das junge Mädchen zu beschützen.
Die Magd warf ihm einen verächtlichen, mißbilligenden Blick zu, gefolgt von einigen unfreundlichen und zynischen Worten. »Seit die Lady krank wurde, hatten wir alle möglichen hochgelehrten Ärzte mit ihren Tränken und dergleichen hier, aber sie hätten samt und sonders nicht mal einen Pickel heilen können, bei meiner Seele! Die Hebamme ist die einzige, die der armen Frau Erleichterung gebracht hat. Besser als all die Ärzte, wenn Ihr mich fragt.«
Alejandro hörte aufmerksam zu, denn außer von dem aufgeblasenen de Chauliac hatte er nie über irgendwelche Erfolge in der Behandlung der schrecklichen Seuche gehört. Nach ein paar lebhaften Worten zu Adele wandte er sich an die Dienerin und fragte sie in schlechtem, aber verständlichem Englisch: »Wo ist die Hebamme, damit ich sie nach ihren Methoden fragen kann? Ich bin begierig, von jeder neuen Behandlungsmethode zu hören.«
Die Dienerin antwortete: »Sie wird morgen hier sein, wenn Ihr zurückkommen wollt. Aber sie ist seltsam, unsere Sarah; ich möchte wetten, daß es ihr nicht paßt, wenn Ihr ihr über die Schulter schaut.«
Alejandro hätte sie gern weiter befragt, aber Kate wurde von Minute zu Minute ungeduldiger. Sie zupfte Alejandro am Ärmel und bat durch die Maske, zu ihrer Mutter gebracht zu werden. Die Dienerin sagte: »Folgt mir, aber seid leise! Ich dulde nicht, daß Ihr sie aufregt.« Dann drehte sie sich um und ging durch einen dunklen Gang voraus.
Während sie sich durch den düsteren Korridor zum Schlafgemach tasteten, erklärte die Dienerin: »Wir halten die Fenster geschlossen und bedeckt, um die bösen Einflüsse auszusperren; meine Lady ist schon krank genug, ohne daß wir noch mehr von dieser Pestilenz einlassen.«
Sie war dabei so erfolgreich gewesen, daß es in dem Haus muffig und dumpf roch. Als sie sich dem Krankenzimmer näherten, traf der vertraute Geruch der Pest Alejandros Nase und erfüllte ihn mit Übelkeit; es war lange her, seit er zuletzt in enge Berührung mit der Krankheit gekommen war, und die Erinnerung an ihre schrecklichen Auswirkungen war verblaßt. Jetzt fiel ihm die ganze Qual sofort wieder ein.
Er blieb stehen, streckte seine Hand nach hinten und hielt so Kate und Adele an. Er nahm seine Maske ab, schnüffelte leicht in die Luft und runzelte dann konzentriert die Stirn, während er den Geruch zu identifizieren versuchte. »Das ist mehr als der Geruch von Krankheit«, sagte er. »Hier ist noch etwas. Etwas, das ich schon früher gerochen habe.« Er schnüffelte wieder. »Ich weiß es!« sagte er. »Es ist der Geruch von faulen Eiern!«
Die Dienerin erklärte: »Mutter Sarah hat ein paar kleine Töpfe mit einer geheimen Substanz brennend im Schlafzimmer zurückgelassen. Sie benutzt dieses und viele andere Mittel, um die Pest in Schach zu halten. Jetzt hat sie die Lady schon länger als vierzehn Tage vor dem Sterben bewahrt, Gott sei gepriesen.«
»Vierzehn Tage!« rief Alejandro aufgeregt. »Ich muß diese Frau, diese Sarah, sofort sehen und befragen!«
Adele fügte hinzu: »Hat sie einen Nachnamen,
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