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Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel

Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel

Titel: Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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fühlte sich mehr beschämt als ängstlich, als hätte sie gegen irgendeinen uralten und obskuren Ehrenkodex verstoßen.
    Die Minuten vergingen. Sarin setzte sein zielloses Umherwandern in der Dunkelheit fort, und Janie fing an, auf unerklärliche Weise zu frieren. Es war, als wanderten eisige Finger über ihre Wirbelsäule. Sie bekam eine Gänsehaut an Armen und Beinen, obwohl sie bedeckt waren; es ging nur ein ganz leichter Wind, doch ringsum begannen die Blätter zu rascheln. Ihre Sinne übermittelten ihrem Körper eine seltsame Warnung, ein Gefühl, daß sie nicht allein am Rand des Feldes waren.
    Rasch sah sie sich um, um festzustellen, ob ihre Gänsehaut die Wahrheit sagte. Niemand war zu sehen, nur dunkle Baumsäulen, gekrönt von unge- bändigten Massen rauschenden Blattwerks, doch Janie konnte ihren Herzschlag nicht verlangsamen und auch nicht verhindern, daß er ihr in den Ohren dröhnte. Sie konnte nichts gegen den kalten Schweiß unternehmen, der ihr nun zwischen den Brüsten hinunterlief.
    Endlich stellte das Licht seine unstete Wanderung ein und stand still; sie hörten den Hund des Wärters keuchen, als er an der Leine zerrte. Mit trotziger Stimme rief der alte Mann: »Ich weiß, daß ihr da draußen seid, ich weiß es.« Dann wurde sein Ton sanfter, und er sagte ruhiger: »Ich wünschte, ihr würdet mich einfach in Ruhe lassen.« Er drehte sich um. Mit hängenden Schultern wandte sich seine Silhouette wieder dem Haus zu, den Hund an der Seite, und war bald nicht mehr zu sehen.
    Janie trat hinter ihrem Baum hervor, und Caroline folgte ihr dicht auf den Fersen. So schnell und leise sie konnten, schlichen sie sich wieder auf das Feld und zogen die Grabungsröhre mit dem kostbaren Inhalt heraus. Als er sicher in dem Leinensack verstaut war, verließen sie das Feld. Janie war überwältigt vor Erleichterung, die Sache hinter sich zu haben, als sie die Autotür aufsperrte. Dennoch wurde ihr Seelenfriede von einem nagenden Schuldgefühl gestört, der schrecklichen, beschämenden Empfindung, etwas getan zu haben, was sie einfach nicht hätte tun dürfen.
    Sarin saß zitternd auf seinem schäbigen Sofa, den treuen Hund zu seinen Füßen. Er hatte sich einen zweiten Pullover übergezogen, aber irgendwie wurde ihm nicht warm. Heute nacht würde er dem Hund gestatten, auf seiner Bettdecke zu schlafen, ein seltenes Zugeständnis an seinen Gefährten. Da er sonst niemanden hatte, mit dem er seine Ängste teilen konnte, sprach er laut mit dem Hund.
    »Sie sind also endlich gekommen, alter Freund«, sagte er, »aber in dem Buch steht nichts darüber, was ich tun soll! Da steht bloß, daß nicht gegraben werden soll ... Ach je, ach je ...« Er stöhnte. »Mutter hat immer gesagt, daß sie kommen würden. Ich habe bloß gehofft, daß es nicht so bald sein würde . ich bin noch nicht bereit .«
    Alter Narr, dachte er bei sich. Du hattest ein Leben lang Zeit, dich vorzubereiten, und bist noch immer nicht bereit? Er dachte an seine Mutter, die sich vor ihm auf deren Kommen vorbereitet hatte, und war froh, daß sie gestorben war, so daß sie nicht sah, wie feige er gewesen war, als der kritische Zeitpunkt schließlich kam. »Amerikanerinnen«, sagte er zu dem Hund. »Ich weiß so wenig über Amerikanerinnen! Jetzt haben sie ihr bißchen Erde genommen und sind wieder verschwunden, und ich weiß nicht mehr, was ich jetzt tun soll!« Tränen der Frustration füllten seine Augen, die nasse Wut eines sehr schlichten Mannes, der vor einer sehr komplexen Aufgabe stand, deren erfolgreiche Vollendung anspruchsvolle Vorfahren von ihm erwarteten. Wie enttäuscht sie wären, wenn sie mich jetzt sehen könnten, dachte er.
    »Sie kommen wieder, da bin ich sicher«, sagte er zu dem Hund. »Ich weiß bloß nicht, wann.« Er streckte die Hand aus und versenkte die Finger im warmen Pelz am Hals des Hundes, hielt sich daran fest wie ein Kind, das Angst hat, sich zu verirren. »Wir müssen unbedingt versuchen, auf sie vorbereitet zu sein, wenn sie wiederkommen.«
    Zwei Tage später erwachte Janie vom zweimaligen schrillen Läuten des Telefons aus einem unruhigen Schlaf. Sie warf die Decken ab und wankte barfüßig über den kalten Fußboden zum Telefon. Sie tauschte Grüße mit dem Labortechniker am anderen Ende der Leitung. Als sie die unverhüllte Begeisterung seiner Stimme hörte, konzentrierte sie sich trotz ihrer frühmorgendlichen Benommenheit, um ihn unbedingt richtig zu verstehen, denn er redete sehr schnell. Sie konnte sich wildes

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