Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
um und schloß die Tür, die die Schlafkammer vom Vorraum trennte. Dann kam sie zurück und ging langsam zum Bett; ihre Schritte waren kaum hörbar, und sie hatte ängstlich die Hände gefaltet.
Adele lag da zwischen den zerwühlten Laken und wirkte in dem riesigen Bett sehr klein; ihr kupfernes Haar auf dem Kissen war feucht und matt, das Hemd klebte an ihrem schmalen Körper, und all ihre Freundlichkeit war dahin, verschwunden. Als Isabella sich den bleichen Überresten näherte, füllten sich ihre Augen mit Tränen, und sie sagte: »O meine liebe Freundin, man hat Euch all Eure Schönheit geraubt . die Wärme Eurer Seele ist nicht mehr da . wie verfluche ich mich dafür, daß ich Euch unverdient und zynisch getadelt habe ... ach, was habe ich Euch angetan?« Sie begann zu weinen, und bald schluchzte sie beinahe zwanghaft; sie schlang die Arme um ihren Oberkörper und wimmerte vor Trauer.
Sie darf die Wachen des Königs erst alarmieren, wenn ich Zeit hatte, mir zu überlegen, was jetzt zu tun ist ! dachte Alejandro verzweifelt. Sanft löste er Kate aus seinen Armen, setzte sie neben sich, stand auf und sagte: »Prinzessin, bitte hört auf mich, hört auf zu jammern . es nützt ihr nichts mehr . « Isabella schwankte, und er streckte den Arm aus, um sie zu stützen.
Kaum berührte er sie, da fiel sie ihm zu seinem großen Erstaunen in die Arme, drückte sich an ihn und schluchzte an seiner Brust.
»Oh, was soll ich tun, was soll ich tun? Sie ist fort, meine liebste Freundin, meine süße Gefährtin! Ich wollte mit ihr alles ins reine bringen, aber dieser Gelegenheit bin ich jetzt grausam beraubt. Oh, warum habt Ihr sie nicht gerettet?«
»Prinzessin«, sagte er in bittendem Ton, »Ihr müßt Euch beruhigen, Ihr schadet Eurer eigenen Gesundheit . Ich habe alles getan, was man tun konnte .«
»Aber es war nicht genug! Oh, meine liebe Freundin, tot . es kann nicht sein .«
Sie faßte nach seiner Hemdbrust und begann, sich damit die Tränen aus den Augen zu wischen. Alejandro erstarrte vor Schreck, als er spürte, wie sich der oberste Knopf seines vom vielen Reisen abgenutzten Hemdes öffnete, dann ein zweiter, und bald lag Isabellas Wange an der bloßen Haut seiner Brust. Auf einmal merkte er entsetzt, wie sie den Kopf von seiner Brust hob und die Augen aufriß; direkt vor ihr lag die verräterische rote Narbe, die ihm die Mönche in Aragon zugefügt hatten.
Sie sog die Luft ein, flüsterte einen fast unhörbaren Fluch und löste sich von ihm. »Ich habe solche Narben schon gesehen, auf Gemälden . «, sagte sie. Mit großen Augen wich sie seiner tröstenden Umarmung aus und trat langsam von ihm zurück. Ihre Stimme zitterte, als sie auf seine Brust zeigte und fragte: »Ist das da auf Eurem Fleisch das Brandmal eines Juden?«
Er stand reglos da, mit offenem Hemd; endlich war seine Täuschung ans Tageslicht gekommen, und eisige Angst machte ihn sprachlos.
»Euer Schweigen verdammt Euch«, sagte Isabella mit wachsender Wut. »Ich fange an zu verstehen, warum sich mir in Eurer Gegenwart immer die Haare gesträubt haben! Oh, wie konnte ich das übersehen! Ihr seid ein Meister der Täuschung, Arzt, ein begabter Schauspieler, und mit Eurer Geschicklichkeit und Eurer Gerissenheit habt Ihr Euch in das Vertrauen meines Vaters geschlichen. Aber Euer wahres Selbst ist jetzt entdeckt, und Ihr könnt Euch nicht mehr hinter vornehmer Herkunft verstecken! Ihr seid nichts als ein verachtungswürdiger Jude!« zischte sie durch zusammengebissene Zähne. »Ihr habt Euch in meinen Haushalt eingeschlichen, Ihr habt am Tisch meines Vaters geges- sen, Ihr habt Dinge berührt, die ich selbst berührt habe .« Sie schaute auf ihre Hände und schüttelte sie, als wolle sie sie von ihm reinigen, und wischte sie dann an ihren Röcken ab. »Ihr habt meine liebe Gefährtin zerstört; Ihr habt mir ihre Loyalität gestohlen und ihr Herz mißbraucht! Ihr habt sie ruiniert und mit ihr auch einen Teil von mir! Ich schwöre bei all meinen zukünftigen Kindern, daß ich Euch dafür lebenslänglich verfolgen werde! Eure Täuschung wird auch Euer Untergang sein, und Ihr sollt leiden, das schwöre ich Euch!« Sie raffte ihre ausladenden Röcke zusammen und rauschte aus dem Zimmer, jeden, der sie hören konnte, um Hilfe anrufend.
Alejandro schaute hinüber zu Adeles Leichnam und versuchte sich zu erinnern, wie es gewesen war, sie in seinen Armen zu halten, ihren süßen, warmen Atem an seinem Hals zu spüren; es schien ein ganzes Leben lang
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