Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
hüten.«
Der junge Jude erwiderte seinen Blick; er wollte Hernandez nicht belügen, denn der Spanier hatte sich als wertvoller Gefährte erwiesen. Doch solange er nicht sicher sein konnte, daß der Christ ihn nicht verraten würde, wollte Alejandro das Geheimnis der Ermordung des Bischofs für sich behalten. Er nickte noch einmal, ohne Hernandez zu erklären, was das Nicken bedeutete.
Er war überrascht, als der Spanier laut auflachte und ihn so kräftig auf den Rücken schlug, daß er fast keine Luft mehr bekam. »Ihr habt mehr Mumm in den Knochen, als ich dachte! Kehren wir ein!« Und sie gingen auf den Gasthof zu.
Der Wirt zeigte ihnen ein Zimmer mit zwei großen Strohlagern, jedes mit einer groben, aber sauber aussehenden gewebten Decke versehen. Auf dem niedrigen Tisch unter dem Fenster, das auf den Platz hinausging, standen eine Schüssel und ein Krug.
»Sauber genug für zwei Vagabunden, was, Señor? Heute nacht werden wir Eure dankbaren Gäste sein. Ein Bad vor dem Abendessen wird uns beiden guttun. Und sagt mir bitte, wo wir in dieser Stadt einen guten Schneider finden.«
Sie nahmen den Weg, den der Wirt ihnen gesagt hatte, und Alejandro ließ sich ein Hemd und Beinkleider anmessen. Er zuckte zusammen, als der Schneider mit dem Maßband seine Lenden berührte, und bemerkte gereizt das erheiterte Grinsen auf Hernandez’ Gesicht.
»Mein junger Freund, Ihr verratet Eure Unwissenheit! Wie sonst soll der Schneider Euch wie einen Herrn ausstatten? Möchtet Ihr so enge Beinkleider, daß Ihr singt wie ein Mädchen? Steht still und laßt den Mann seine Arbeit tun.«
Verlegen über seine eigene Schüchternheit gehorchte Alejandro.
»Wir brauchen diese Kleider morgen früh«, sagte Hernandez zu dem Schneider.
»Señor«, protestierte dieser, »das ist unmöglich, es bleibt nicht mehr lange genug hell, um rechtzeitig mit der Arbeit fertig zu werden! Und ich muß erst das Notwendige einkaufen ...«
Hernandez griff in seine Tasche, nahm eine Goldmünze heraus und schwenkte sie verlockend vor der Nase des Schneiders. »Vielleicht könnt Ihr damit den nötigen Stoff und Kerzen erwerben«, sagte er. Er sah, wie gierig der Schneider die Münze betrachtete, also drückte er sie ihm in die Hand und sagte: »Wenn die Kleider morgen früh fertig sind, gibt es noch eine.«
Nachdem sie so für Alejandros neue Ausstattung gesorgt hatten, kehrten sie in den Gasthof zurück und stiegen die Treppe zu ihrem gemeinsamen Zimmer hinauf. Inzwischen hatte man eine teilweise gefüllte Wanne zwischen den beiden Strohlagern aufgestellt. Jemand klopfte leise an die Tür, Hernandez brummte ein Herein, und die Wirtin trat ein. Sie trug einen weiteren Eimer mit dampfendem Wasser. Nachdem sie das Wasser in die Wanne geschüttet hatte, ging sie wieder und kehrte bald darauf mit einem großen Stück durchsichtiger grüner Seife und einem Luffaschwamm zurück. Hernandez winkte Alejandro, die Wanne als erster zu benutzen, und sagte, er werde in die cantina gehen und einen Schluck Wein trinken, ehe er ebenfalls badete. Wieder schärfte er Alejandro ein, auf seine Habseligkeiten aufzupassen.
Nachdem er so seinen Pflichten als Begleiter des jungen Mannes genügt hatte, verschwand er durch die Tür und zog sie hinter sich zu. Alejandro schob den Riegel vor, um nicht gestört zu werden, und zog sich vorsichtig aus, um nicht an seine wunde Brust zu rühren. Das warme Wasser schmerzte zuerst auf der roten Haut der runden Wunde, doch als er sich an die Temperatur gewöhnt hatte, fand er das Wasser höchst beruhigend. Nachdem er den Staub aus seinen Kleidern geschüttelt hatte, zog er sich wieder an und öffnete den Türriegel. Dann sah er aus dem Fenster und erblickte Hernandez, der prahlerisch über den Platz schritt; offenbar hatte er seine Erfrischung genossen.
Der große Spanier sang laut, während er die Treppe zu ihrem Zimmer hinaufging; seine Fröhlichkeit war ansteckend, und Alejandro lächelte. Der Mann gefiel ihm von Tag zu Tag besser. Er freute sich, ihn zu sehen, als er polternd eintrat, ein kleines bißchen betrunken und freundlicher denn je.
»Ah, mein Junge, ich glaube, dieses Bad ist ein Geschenk des Himmels.« Mit großen Gesten entkleidete er sich und kratzte sich dabei müßig. Er schlug nach einem lästigen Insekt und sagte dann: »Gott sei Dank für diese neue Taufe!« Dabei lachte er laut über seinen eigenen Witz. Alejandro verstand ihn nicht, kicherte jedoch höflich, erheitert über das kindliche Gebaren des riesigen
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