Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
Handelsgesellschaft und war lange überfällig, daher galt ihre sichere Ankunft als großer Segen. Doch als die Vertreter der Compagnia an Bord gingen, fanden sie die Mannschaft tot bis auf sechs Matrosen, und diese sechs lagen ebenfalls im Sterben.«
Gedämpfte Rufe der Überraschung pflanzten sich unter den Zuhörern fort, und ihr Interesse war plötzlich geweckt. Mit leiser Stimme sagte ein Mann: »Ein Pestschiff!«
»Ja«, bestätigte der Erzähler, »und eine Pest, wie man sie noch nicht gesehen hatte, hat mein Matrosenfreund berichtet. Der Mann erzählte von schwarzen Hälsen, so aufgeschwollen, als steckte eine Melone drin!«
Die Zuhörer stöhnten, machten ungläubige Gesten und schalten den Erzähler wegen seiner phantastischen Geschichte. Alejandro erhob sich halb von seinem Stuhl und streckte die Hand aus, um die Menge zum Schweigen zu bringen.
»Schscht! Bitte, ich will diese Geschichte zu Ende hören.«
Die anderen warfen ihm seltsame Blicke zu, aber sein Eingreifen machte dem Erzähler Mut fortzufahren.
»Die Kranken hatten Beulen an Armen und Beinen, und ihre Hände und Füße waren schwarz wie die Nacht; keiner von ihnen konnte es ertragen, berührt zu werden, und alle schrien, ein gnädiger Tod möge sie von ihren schrecklichen Leiden erlösen. Aus allen Poren strömte der Gestank von Krankheit und Tod, und sie schwitzten so, daß ihre Kleider tropfnaß waren. Von den fünfzig Mann an Bord, als sie ablegten, waren alle angesteckt, und nur einer überlebte. Jetzt ist er verrückt und erinnert sich nicht einmal an den Namen seiner Mutter.«
Keiner sagte etwas. Der betrunkene Hernandez bekreuzigte sich, andere taten es ihm nach, und einige baten die Heilige Jungfrau um Schutz. Gegen so eine Krankheit gab es keine andere Verteidigung.
Irgendwie gelang es Hernandez, die Aufmerksamkeit der schweigenden Menge zurückzugewinnen und sie wieder aufzumuntern. Der Spanier merkte nicht, daß sein Reisegefährte nachdenklich und in ganz anderer Stimmung war als die anderen. Später fragte Alejandro den Erzähler eingehend nach weiteren Einzelheiten über die angebliche Krankheit, doch der Mann konnte nicht viel mehr berichten, und Alejandro gab schließlich auf.
In dieser Nacht schrieb Alejandro beim Licht einer Kerze die Einzelheiten der Geschichte, die er in der cantina gehört hatte, in sein Buch. Während er eifrig kritzelte, schnarchte Hernandez, grunzte und warf sich auf seinem Strohlager herum. Alejandro war froh, daß keine weiteren Reisenden da waren, sonst hätte er sich mit Hernandez womöglich ein Lager teilen müssen, und bei dem Gedanken, die Gliedmaßen des betrunkenen Spaniers könnten in der Nacht mit der Wucht von Mehlsäcken auf ihn einschlagen, war ihm alles andere als wohl. Sauber, satt und in Gedanken noch heftig mit den Neuigkeiten des Abends beschäftigt, schlief er endlich ein; seine Tasche hielt er an sich gedrückt, und bald träumte er von Carlos Alderon.
In seinem Traum war der riesige Schmied noch größer und eindrucksvoller als im Leben. Er kam bei Tageslicht zu Alejandro, tot, aber noch auf den Beinen, jedes Glied einzeln mit dem groben Leichentuch umwickelt; nur die Brust lag bloß und wies zahlreiche Schnitte und Wunden auf. Die Hände und Füße, die aus den Tüchern herausschauten, waren schwarz wie das Eisen der Schaufel, mit der er ausgegraben worden war. Er stieß gräßliche Anschuldigungen gegen den Arzt hervor, dem es nicht gelungen war, ihn gesund zu machen, und beschuldigte Alejandro, seinen Tod gewollt zu haben, damit er seinen Leichnam später exhumieren und sezieren konnte. Er kam näher, streckte die Arme aus, doch gerade, als er ihn packen wollte, wurde Alejandro ruckartig wach; er setzte sich zitternd auf, kalter Schweiß drang ihm aus allen Poren. Er rieb sich mit einer Hand heftig das Gesicht, während er mit der anderen seinen zitternden Körper stützte; als er sich zur Seite wandte, sah er Hernandez friedlich schlafen, unberührt von dem Gefühl der Bedrohung, das ihn geweckt hatte.
Der Schneider verbeugte sich und ging rückwärts zur Tür hinaus, dabei umklammerte er die Goldmünze, die Hernandez ihm in die Hand gedrückt hatte; er konnte es gar nicht fassen, welche phantastische Summe er für so einfache Arbeit bekommen hatte. Nachdem sie die Rechnung des Wirts bezahlt hatten, machten der Spanier und der Jude sich auf den Weg zur Bäckerei, wo Hernandez mehrere der frisch gebackenen Brote des Tages erstand und die langen, dünnen Laibe in alle
Weitere Kostenlose Bücher