Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
freien Taschen seiner Kleidung und seines Gepäcks steckte.
Während Alejandro sein Reittier bestieg, sagte er: »Das Hemd ist richtig schwer vor lauter Münzen!«
Hernandez lachte herzlich. Ohne jedes Mitgefühl mit der beneidenswerten Last sagte er: »Möge Gott mich mit der Beschwernis schlagen, zu viele Münzen zu haben! Und möge ich nie davon genesen!«
Sie ritten zügig, bis sie mittags die kleine Stadt Figueras erreichten, noch immer ein gutes Stück von der Küste entfernt. Sie ließen die Pferde in einem Stall zurück, wo ein kleiner Junge sie gut abrieb und tränkte.
Die cantina war dunkel und kühl, eine willkommene Abwechslung nach der brennenden Tageshitze. Sie aßen eine herzhafte Mahlzeit, die Hernandez mit einer reichlichen Menge Bier hinunterspülte. Wieder war Alejandro recht still, während sein Gefährte die anderen Gäste mit seinen Heldentaten und Kriegsgeschichten unterhielt.
»Genug von meinen Lügen«, sagte er schließlich. »Ich bin es leid, mich zu rühmen. Wer hat berichtenswerte Neuigkeiten?«
Man erzählte von verschiedenen Ernten; ein Mann beschrieb in allen Einzelheiten einen Hochzeitszug, der vorbeigekommen war und eine junge Adelige von weither zu ihrem wartenden Bräutigam in Kastilien geführt hatte. Er unterhielt seine hingerissenen Zuhörer mit Erzählungen über die verschwenderischen Ausschweifungen der Reichen, die die lauschenden Bauern sich kaum vorstellen konnten.
Alejandro war sich seiner Lage als Flüchtling sehr bewußt; er wollte keine Aufmerksamkeit erregen und verhielt sich still. Sein Desinteresse schlug schnell in Langeweile um. Er und Hernandez hatten es bislang geschafft, der Neuigkeit von der Ermordung des Bischofs vorauszureiten, und er hoffte glühend, daß ihnen das auch weiterhin gelingen werde. Noch immer vertraute er Hernandez nicht genug, um ihm zu sagen, was er getan hatte, während der Spanier vor dem Kloster auf ihn wartete. Er nahm allerdings an, der ältere Mann wisse, daß er nicht die Absicht gehabt hatte, dem Bischof für seine milde Behandlung zu danken.
Erst als ein zerlumpter Pilger anfing, von dem Pestschiff zu sprechen, richtete Alejandro sich aufmerksam auf. Der Mann hatte ruhig in der Ecke gesessen und hatte zügig sein Brot und seinen Käse verzehrt, obwohl er offensichtlich keine Zähne hatte. Graue Stoppeln bedeckten sein Kinn, und sein Geruch deutete darauf hin, daß er kürzlich in Tuchfühlung mit Maultieren gekommen war.
»Die Krankheit ist nicht mehr auf die Schiffsmannschaft beschränkt«, sagte er zur Verblüffung seiner Zuhörer. Gedämpftes Murmeln ging durch die Reihen der Gäste. »Die Vertreter der Com- pagnia haben ein paar Tage gewartet und dann Leute ausgeschickt, die die Schiffsladung an Land bringen sollten, ganz gegen den Willen des Hafenmeisters von Messina, der geschworen hat, die Angelegenheit zur richterlichen Entscheidung vor den örtlichen Dogen zu bringen.«
Alejandro war überrascht, wie beredt der Mann sich ausdrückte. Bei seinem zerlumpten Aussehen hatte er das nicht erwartet. Der Mann setzte seinen Bericht fort und schmückte ihn mit präzisen Einzelheiten über das Fortschreiten der Krankheit aus.
»Innerhalb weniger Tage wurden mehrere Mitglieder der Entladungsmannschaft krank; zuerst klagten sie über Halsschmerzen und ein Kratzen in der Kehle. Bald hatten sie alle Fieber, und ihre Zungen waren geschwollen und weiß. Einer nach dem anderen mußte sich zu Bett legen, und keiner stand mehr auf.«
Die Gäste der cantina hörten aufmerksam zu; sie waren entsetzt über die Geschichte des Mannes. »Nach ein paar Tagen wurden bei einem Mann die Gliedmaßen blau, dann schwarz; die Schwellung in seinem Hals war ein apfelgroßer Klumpen, gefüllt mit dickem gelbem Eiter und umgeben von blauen und schwarzen Flecken. Ebensolche Eiterherde erschienen bald an seinen Lenden und in den Achselhöhlen, und er hatte ständig Schmerzen. Seine Familie rief einen Arzt, der die riesigen Beulen öffnete.«
Die anderen Zuhörer stießen Rufe des Abscheus aus, aber Alejandro hörte aufmerksam zu und bedachte sorgfältig die möglichen Diagnosen. Er hörte, wie der Pilger von Delirien und Schweißausbrüchen, Perioden der Bewußtlosigkeit und anschließendem Schüttelfrost berichtete, bei dem der Kranke auf Eis zu liegen glaubte. Er erzählte auch davon, daß der arme Mann nicht mehr in der Lage gewesen war, seine Ausscheidungen zu beherrschen, und wie er nach und nach zum Skelett abmagerte, als der Körper einen
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