Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
war. Theoretisch mußte er ein solches Ereignis der Biologischen Polizei melden, und je nach den Umständen würde das eine Strafverfolgung nach sich ziehen. Da Frank von der Bildfläche verschwunden war, wußte Ted, daß sich alle folgenden Ermittlungen auf ihn konzentrieren würden. Seine Aufsichtspflicht verlangte, daß er sofort jede laufende Arbeit kontrollierte, an der Frank zum Zeitpunkt seines Todes beteiligt gewesen war, um die Sicherheit des Labors zu gewährleisten. Das hatte Ted versäumt, was eine ungeheure Unterlassungssünde war; er mußte zugeben, daß er nicht einmal daran gedacht hatte.
Was für ein Durcheinander ! dachte er. Und Bruce wird jeden Moment hier sein.
Er hatte oft genug mit P . coli gearbeitet, um zu wissen, daß es sich dabei um die bakterielle Version eines harmlosen Gigolos handelte, die an sich weder toxisch noch besonders gefährlich war. Doch Ted machte sich mehr Sorgen um das ziemlich extrovertierte soziale Verhalten der Mikrobe, ein Verhalten, dessentwegen sie entwickelt worden war und nun für Forschungszwecke geschätzt wurde: schamlos bereit, ihr genetisches Material zu teilen, und das häufig mit Mikroben, die das biologische Äquivalent von völlig Fremden waren. Ted rannte sofort in das verglaste Büro zurück und sah sich den dort aushängenden Plan der laufenden
Arbeiten an; zu seiner Erleichterung stellte er fest, daß keine Prozeduren mit freien Bakterien darunter waren. Er ging zum Putzschrank des Labors, wo er ein angemessenes Sortiment antibakterieller Reinigungsmittel fand, die regelmäßig für die Fußböden und alle glatten Oberflächen des Labors benutzt wurden. Er griff sich einen Arm voll Sprühflaschen und eine Rolle Papiertücher und kehrte an den Schauplatz des Desasters zurück.
Sorgfältig wischte er alle nahen Oberflächen mit Papiertüchern ab, die er mit dem stärksten Reiniger getränkt hatte, den er finden konnte. Der Geruch nach Chemikalien war überwältigend, weit schlimmer als der an verfaultes Obst erinnernde Geruch der bakteriellen Kontaminierung. Er verstaute die benutzten Papiertücher in einem für biologische Abfälle vorgesehenen Plastikbeutel. Er wischte den computergestützten Mikroskopaufbau ab und mußte dabei den kleinen Stoffkreis entfernen, der auf dem Objektträger lag, um die Flächen zu erreichen, die zwar von dem Stoff bedeckt, dadurch aber nicht vor Kontaminierung geschützt gewesen waren. Er drehte den Stoff in der Hand und sah ihn sich kurz an; in seiner Panik kam er nicht auf den Gedanken, er könne für sich genommen von Bedeutung sein. Bevor er seine Putzarbeit beendete, legte er ihn genau in der vorherigen Position auf den Objektträger zurück.
Als hätte Ted noch nicht genug Sorgen, brauchte er noch immer eine Mikrobe vom Typ P. coli für die Arbeit, die Bruce und er beginnen wollten; jetzt hatte er keine, und das würde er irgendwie erklären müssen. Er kramte auf der Suche nach einem Stift in Franks Schublade herum, und als er endlich einen fand, lief er zum Kühlraum. Rasch schaute er in der Liste nach, wo P . coli normalerweise gelagert wurde, und richtete die Kamera auf den entsprechenden Schacht. Aus der Nähe konnte er die Markierung lesen. Sie trug Franks Namen.
Er würde erklären müssen, wo Frank die Probe gelassen hatte, wenn er die Markierung nicht änderte. Vorsichtig, aber linkisch bewegte er den mechanischen Arm und wünschte sich dabei, er wäre mit dem Robotgreifer nur halb so geschickt wie der tote Frank. Ted nahm die Markierung und führte sie durch die Dekontaminierungsöffnung. Dann schrieb er rasch auf ein leeres Markierungsschildchen: »Probe wegen Sprung der Röhre kontaminiert. Neutralisiert und entsorgt am ...« Er hielt inne und zählte rückwärts bis zu dem Tag vor Franks Tod. Dieses Datum trug er ein und kritzelte dann Franks Initialen in die Unterschriftszeile. Er schob die gefälschte Markierung durch die Öffnung und nahm sie dann mit dem mechanischen Arm auf; nach vielem Manövrieren gelang es ihm, sie an die Stelle zu plazieren, an der die Probe entnommen worden war. Danach steckte er die alte Markierung zu den benutzten Papiertüchern in den Entsorgungsbeutel. Wenn jemand fragte, warum die Entsorgung einer lebenden Mikrobe nicht in das tägliche Protokoll eingetragen worden war, würde er wahrheitsgemäß erklären, daß Frank manchmal die Angewohnheit hatte, seinen gesamten wöchentlichen Papierkram freitags zu erledigen, indem er persönliche Notizen zu Hilfe nahm, die er
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