Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
Er wußte, seine anhaltende Gesundheit war mehr als schlichtes Glück.
De Chauliac erhob sich wie befohlen; er überragte den sitzenden Papst, der angewidert zu ihm aufsah. »Euer Heiligkeit«, sagte der Arzt mit zuckersüßer Stimme, »womit darf ich Euch dienen?«
»Wahrhaftig, Monsieur, Ihr habt mir bereits allzugut gedient. Ich möchte, daß Ihr mich aus dieser unheiligen Gefangenschaft entlaßt.«
De Chauliac war auf diese Klage seines verwöhnten Patienten immer vorbereitet. »Ich erinnere Euer Gnaden bescheiden daran, daß unsere Anstrengungen, Eure Gesundheit zu bewahren, bislang recht erfolgreich waren.«
»Euer Erfolg ist mir bewußt, de Chauliac, aber ich bin Eurer spartanischen Methoden müde. Sicher sind sie nicht mehr lange notwendig.«
»Euer Heiligkeit, erst heute morgen habe ich den Bericht der medizinischen Fakultät der Universität von Paris erhalten, der auf Befehl unseres edlen Königs Philip geschrieben wurde. Eine höchst gelehrte Gruppe von Ärzten und Astrologen hat ihren beträchtlichen Geistesgaben die Aufgabe gestellt, diese sehr heikle Frage zu lösen. Sie sind der Ansicht, daß diese Pestilenz von einem überaus ungewöhnlichen Himmelsgeschehnis ausgelöst wurde. Gott der Allmächtige hat den Planeten Saturn, einen starrsinnigen, aber ziemlich ungeduldigen Himmelskörper, in eine fast vollkommene Linie mit dem unzüchtigen und verspielten Jupiter gestellt, normalerweise eine nicht weiter bemerkenswerte Verbindung; ihre sich überschneidenden Pfade am Himmel stehen bekanntlich unter dem Einfluß des Aquarius. Dieses himmlische Zusammentreffen hat schon früher einige ungewöhnliche Ereignisse ausgelöst, etwa kleine Überschwemmungen, schlechte Ernten und dergleichen. Unglücklicherweise hat das Eintreffen des Mars mit seinem kriegerischen Temperament dem, was sonst kaum bemerkt worden wäre, einen tödlichen Charakter gegeben. Mars liebt den Krieg und hat Jupiter und Saturn veranlaßt, miteinander zu kämpfen. Es ist diese unglückselige Mischung von Eigenschaften, die der Pestilenz gestattet hat, unser Leben zu beherrschen.«
Clemens bedauerte den anhaltenden Einfluß der Astrologie auf die Anhänger des Christentums, konnte aber die Ausübung der fatalistischen Wissenschaft anscheinend nicht verhindern. »Seid Ihr mit diesen Feststellungen einverstanden, Monsieur?«
De Chauliac, stets ein vorsichtiger Diplomat, antwortete: »Mein Fürst, meine Weisheit reicht nicht aus, um nicht damit einverstanden zu sein. Es handelt sich um sehr weise Männer, die gelehrtesten in unserem Reich, und sie haben sich mit Fleiß an die Aufgabe gemacht, die Seine Majestät ihnen stellte. Die himmlischen Bedingungen, die sie beschreiben, könnten leicht Ereignisse auf der Erde in höchst böswilliger Weise beeinflussen.«
Der Papst, der sich ärgerte, weil de Chauliac mit vielen Worten nichts gesagt hatte, fächelte sich erneut. »Ich möchte trotzdem wissen, wie lange meine Gefangenschaft hier wohl noch dauern wird, und Ihr habt mir nicht geantwortet.«
De Chauliac lächelte seinen Herrn liebenswürdig an und entzog sich mit gewohnter Wortgewandtheit der möglichen Falle. »Wir sind nur Menschen, die versuchen, den Plan Gottes zu erklären, und Gott teilt seine Pläne niemandem mit. Ich bitte Euch, seid geduldig und bleibt in Eurer Abgeschiedenheit. Zu gegebener Zeit wird sie zu Ende sein.«
Geduld gehörte zwar nicht zu den herausragenden Eigenschaften des Papstes, doch Clemens war klug genug, um zu wissen, daß die Worte seines Arztes zumindest zur Hälfte stimmten, und er fand sich mit der verhaßten Isolation ab. »Monsieur, die Engel werden lachen, wenn ich diese Geißel nur überlebe, um danach zufällig von Gottes Blitz gefällt zu werden. Wenn ich zum Himmel aufsteige, werde ich Euch diese Gefangenschaft sehr übelnehmen.«
De Chauliac gestattete sich ein kleines Lachen, erleichtert, die Situation wieder in der Hand zu haben.
Clemens nahm Edwards Brief und reichte ihn de Chauliac, der ihn rasch überflog. »Das sind höchst bestürzende Ereignisse, Euer Heiligkeit.«
»In der Tat!« antwortete Clemens. »Diese Heiratsfrage war doch schon geregelt! Und nun sind all unsere klugen diplomatischen Bemühungen zunichte gemacht. Eine Allianz zwischen Spanien und England wäre für unsere Heilige Kirche von großem Nutzen gewesen. Wenn Pedro König von Spanien ist, wird er größere Rücksicht auf Dinge nehmen, die die Kirche betreffen, als Edward in England; vielleicht hätte er durch dessen
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