Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
Möglichkeit einer Verehelichung mit der Familie von Brabant ; der Herzog hat den Vorschlag gemacht , seinen ältesten Sohn mit unserer Tochter zu vermählen . Ich zögere , diese Heirat fest zuzusagen , da ich fürchte , unsere Blutlinie zu schwächen . Isabella wäre mit ihrem Bräutigam nahe verwandt, und Eure Heiligkeit hat ja die Ansicht kundgetan , daß solche Verbindungen zu kränklicher und oft geistesschwacher Nachkommenschaft führen können . Wir sind zwar von der Lebenskraft unserer Linie überzeugt, nicht aber von der Brabants. Meine Königin und ich suchen Euren Rat bezüglich der vorgeschlagenen Verbindung. Und Isabella selbst leidet noch immer unter der Schmach ihrer jüngsten Zurückweisung, an die die Gegenwart der Bra- banter erinnert .
Wir befinden uns auf unserer schönen Insel noch nicht im Zustand der Anarchie , sind aber nicht weit davon entfernt . Mein Feldzug in Frankreich ist zum Stillstand gekommen ; dort herrscht große Ungewißheit , und meine guten Ritter raten davon ab , die Belagerung gerade jetzt fortzusetzen . Jeden Tag fordert die Seuche mehr Opfer und macht keinen Unterschied zwischen niedrig und hoch Geborenen . Die Bauern können die Ernte nicht einbringen , weil es an fähigen Helfern fehlt , die die Sichel schwingen. Die Gerste auf den Feldern schießt ins Kraut , der Honig wird nicht eingesammelt, daher gibt es keinen Honigwein. Unser Vieh wird nicht versorgt ; einige Tiere sind bereits der gleichen Seuche zum Opfer gefallen, und ihre Kadaver verderben die Weiden und verpesten die Luft . Unsere ganze Welt windet sich in den Händen des Teufels und bemüht sich , der Pest aus dem Weg zu gehen , doch von Tag zu Tag sind es mehr , die auf entsetzliche Weise zugrunde gehen.
Meine Königin und ich mit unserem ganzen königlichen Haushalt erwarten Eure weise Antwort auf unsere Bitten. Wir beten, sie möge von schnellen Reitern geschickt werden, denn diese fürchterliche Krankheit rafft ihre Opfer aufs Geratewohl dahin und nimmt nicht einmal auf die besten Pläne der mächtigsten Lords Rücksicht . Ich werfe mich Eurer Heiligkeit zu Füßen , erflehe Euren apostolischen Segen und verbleibe , Heiliger Vater , in tiefer Verehrung Eurer Heiligkeit ,
Euer demütigster und bescheidenster Diener und Sohn
Edward Rex
Papst Clemens VI. las den Brief des Königs zu Ende und fächelte sich dann nachdenklich mit der Schriftrolle. Die Ereignisse, die Edward in seiner Botschaft schilderte, verlangten gründliche Überlegung, und in der ausgeklügelten Isolation, die sein Leibarzt Guy de Chauliac ihm auferlegt hatte, hatte er reichlich Zeit zum Nachdenken.
Monsieur le docteur hatte angeordnet, daß der Papst wenig oder keinen Kontakt mit anderen Menschen haben sollte, solange die Seuche andauerte. Er hatte Clemens in seinen Privatgemächern eingesperrt und befohlen, in allen Kaminen der großen Zimmerfluchten Feuer zu machen. Die Fenster waren mit Läden verschlossen, und die Türen wurden nur mit besonderer Erlaubnis des Arztes geöffnet. Clemens wurde angeraten, langärme- lige, eng sitzende Gewänder zu tragen und stets sein Haupt bedeckt zu halten. Sein fade zubereitetes Essen wurde in winzigen Portionen serviert, denn de Chauliac glaubte, die Sünde der Völlerei verstärke die Krankheitsanfälligkeit eines Menschen.
Clemens rieb sich bedrückt das Kinn und dachte bei sich, daß dieses mönchische Leben für einen Mann mit seinen weltlichen Vorlieben schlimmer war als der Tod. De Chauliac war fest davon überzeugt, die Infektion sei eine Folge direkten Kontakts mit der Krankheit, doch er konnte nicht erklären, auf welche Weise die Ansteckung erfolgte, und hatte daher einfach angeordnet, Clemens sei von allem zu isolieren.
So war der Papst aller Freuden beraubt und daher natürlich recht reizbar, ein Zustand, der sich durch Edwards Brief nicht verbesserte. Er zog an dem samtenen Klingelzug, der neben seinem Divan hing, und wartete auf Guy de Chauliac. Leise trat der Arzt ein, kniete vor dem Papst nieder und küßte unterwürfig seinen Ring.
»Steht auf, de Chauliac, denn ich finde Eure Geste unaufrichtig. Wir wissen beide, daß ich mich Euch unterwerfe und nicht umgekehrt. Ich sehne mich nach dem Tag, an dem diese Pest vergangen ist und ich Euch angemessen züchtigen kann für die Strafe, die Ihr mir auferlegt habt.«
Aber Clemens war kein Narr; er wußte, daß Avignon den größten Teil seiner Einwohner an die Pest verloren hatte, und er selbst war noch immer sehr lebendig.
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