Alejandro Canches 01 - Die siebte Geissel
Unsere weiteren Abgesandten werden sich auf den Weg machen , sobald alle entsprechenden Vorkehrungen getroffen sind. In diesen schrecklichen Zeiten müssen wir alle Vorsichtsmaßnahmen ergreifen , damit sie Euch heil erreichen .
Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes übersenden wir Euch unsere besten Wünsche für Euer weiteres Wohlergehen und für das Gedeihen Eures Königreiches.
Clemens VI .
Erzbischof von Avignon
Clemens reichte den Brief de Chauliac, der ihn sorgfältig las. Als er fertig war, grinste er und sagte: »Edward wird denken, daß wir ihm einen Spion in seinen eigenen Haushalt schicken. Inzwischen fragt er sich sicher, ob sein Ersuchen an Euch weise war. Es spielt also keine große Rolle, wen wir schicken; der Mann wird wenig Unterstützung vom König erhalten, obwohl er selbst um seine Anwesenheit gebeten hat.«
»Aber dennoch«, sagte Clemens, »ist es amüsant zu wissen, daß wir solche Verwirrung im königlichen Haushalt erzeugen können. Wir werden ihm also einen Arzt schicken. Wir werden den enthusiastischsten und hingebungsvollsten Arzt schicken, den wir finden können. Und dann werden wir uns in dem Wissen sonnen, daß wir noch immer ein Dorn im Fleische unseres lieben englischen Bruders sind.«
Alejandro erwachte und spürte sofort wieder den bohrenden Schmerz der Trauer in dem kleinen, stillen Haus, das ihm leer und verlassen vorkam, nachdem die Witwe fortgegangen und Hernandez gestorben war. Niemals hatte er sich so allein gefühlt. Die einzigen Menschen, die er in Avignon kannte, waren der bigotte Apotheker und die grämliche Witwe Selig. Er war verloren in seinem Kummer; es gab niemanden, der ihn über den Verlust des rauhen Mannes hinwegtröstete, den er wie einen Bruder in sein Herz geschlossen hatte.
Voller Unbehagen durchwühlte er alle Schränke auf der Suche nach etwas, irgend etwas , das sich heimelig anfühlte, doch es gab nichts außer den allgegenwärtigen Exkrementen der Mäuse und Ratten, die fast jedes Haus heimsuchten, selbst das bescheidenste. Der vertraute Anblick tröstete ihn nicht, sondern stieß ihn nur ab. Still saß er an dem kahlen Tisch im Eßzimmer und verzehrte einen Kanten Brot und etwas Käse, die er in der Speisekammer gefunden hatte. Als er nichts mehr essen mochte, holte er seine Geräte aus Hernandez’ Schlafzimmer und wusch sie in dem Eimer in der Küche. Ich werde den Leichnam für den Karren nach unten bringen müssen , dachte er unglücklich und stellte sich vor, wie die Gliedmaßen seines Freundes, bleichen Stöcken gleich, aus den seitlichen Planken des Karrens herausschauten. Aber im Augenblick bin ich dazu nicht imstande . Er wickelte seine Gerätschaften in eines von Hernandez’ alten Hemden und machte sich auf den Weg zu seiner neuen chirurgischen Praxis, wo er vielleicht etwas Ablenkung finden würde.
Die Menschen in den engen Gassen drückten sich an ihm vorbei; als er sich seiner Praxis näherte, sah er eine Art Anschlagzettel an einem Nagel an der Tür hängen. Er nahm ihn herunter und sah sich das Siegel genauer an, um die lateinische Inschrift zu entziffern, die in das grobe, runde Wachsstück eingeprägt war.
Sie lautete: Seine Heiligkeit Clemens VI. Bischof von Avignon.
8
Janie schob die Plastikkarte in den Schlitz der lackierten Metalltür zu ihrer Hotelsuite. Sobald sie eingetreten war, ließ sie ihre Aktentasche zu Boden fallen und sank auf einen Stuhl. Sie lehnte sich zurück und streckte ihren großgewachsenen Körper lang aus; einen Arm ließ sie schlaff hängen, mit dem anderen bedeckte sie ihre Stirn. Die frustrierenden Geschehnisse des Tages hatten sie völlig erschöpft.
»Nur zu, Welt, schlag mich zusammen«, sagte sie zu Caroline, die ihr in das Zimmer folgte und die Tür hinter sich schloß. »Ich könnte ein paar weitere blaue Flecken gebrauchen.«
Caroline nahm sofort den in Plastik gehüllten Stoffkreis aus ihrer Handtasche und legte ihn in Janies Kühlschrank. »Baden wir etwa gerade ein bißchen in Selbstmitleid?« sagte sie dann, während sie sich Janie gegenüber an den kleinen Tisch setzte.
»Und wie«, sagte Janie, den Arm noch immer über den Augen. »Unter den gegebenen Umständen ist das völlig angemessen.« Einen Moment später richtete sie sich auf, rieb sich die Augen und seufzte. Sie betrachtete den Stapel Papier auf dem Tisch vor ihr und sagte: »So, und jetzt sollten wir feststellen, woher die fehlenden Proben stammen.«
Sie blätterte in den Papieren und fand
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