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Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus

Titel: Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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Hirschkuh vor ihm auf, fast zum Greifen nahe stand sie völlig reglos da und sah ihn aus dunkelbraunen Augen unverwandt an.
    Sie ist hier, unter diesen Tieren … Irgendwo in der Ferne ertönte der Ruf einer Eule; er wandte den Kopf nach dem Geräusch, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie sich das Tier mit einem lautlosen Flügelschlag von einem Ast erhob und im Schatten des Waldes verschwand. Als er sich wieder zu der Hirschkuh umdrehte, war sie verschwunden.
    In seinem erschöpften Geist gewann die Phantasie Oberhand über die Vernunft. »Lauft«, flüsterte er allen Geschöpfen des Waldes zu. »Sagt eurer Herrin, dass ich hier bin.«
    Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, setzte heftiger Regen ein. Das Pferd suchte sich vorsichtig seinen Weg durch das Unterholz und trat schließlich auf die Lichtung. Unvermittelt hörte es auf zu regnen, und als er über die mit hohem Gras bewachsene Wiese ritt, brach die Sonne hervor.
    An der Stelle, an der er mit bloßen Händen in der Erde gewühlt hatte, um seine Kleidung zu vergraben, während in der Ferne das Gebell der Jagdhunde zu hören war, wuchsen jetzt Blumen. Er hielt sein Pferd an und sah wie gebannt auf die farbenfrohen Blüten, und er fragte sich, was Sir John Chandos - ein Mann, den er als Freund betrachtete - gedacht haben mochte, als sein König ihm befahl, die Flüchtigen einzufangen. Ein Jude und ein kleines Mädchen - gewiss nicht seine gewöhnliche Jagdbeute, denn Chandos war ein erfahrener Soldat, der viele Schlachten hinter sich gebracht hatte, einschließlich des Blutbads bei Poitiers. Edward hatte ihn und seine besten Männer ausgesandt, um die beiden aufzuspüren und gefangen zu nehmen, eine einfache Aufgabe, sollte man meinen. Und doch hatte er versagt; tief in seinem Herzen wusste Alejandro, dass hinter diesem Versagen Absicht gesteckt haben
musste. Es hätte zu dem Mann, dem Ehre über alles ging, gepasst, Alejandro und Kate trotz seiner Treue gegenüber dem König entkommen zu lassen. Eine solch böse Tat wie ihre Gefangennahme wäre für diesen guten Menschen kaum mit seiner Ehre vereinbar gewesen.
    Insekten summten um ihn herum und ließen sich nieder, wo immer es ihnen gefiel. Das Pferd wackelte mit den Ohren, um die Quälgeister fernzuhalten. Die Zeit schien langsamer zu vergehen, so wie im Jahr 1349, als er mit Adele über diese Wiese geritten war. Vor ihm ragten die beiden alten Eichen auf, Liebende, die sich seit undenklichen Zeiten umschlangen.
    Armes, braves Tier, dachte er und klopfte seinem Pferd den Hals, du hast keine Ahnung, was dich erwartet. Alejandro heftete seinen Blick auf die Öffnung zwischen den beiden Bäumen, nahm all seinen Mut zusammen und hieb dem Pferd die Fersen in die Flanken. Das Tier schoss vorwärts, durch den eichenen Torbogen hindurch und weiter in den Wald, der dahinter lag.
    Plötzlich umgab Ross und Reiter Luft, die so warm war, dass es sich anfühlte, als würden sie in das Wasser eines Bades eintauchen. Jenseits der beiden Eichen war alles erfüllt von einem süßen, moschusartigen Duft; die Strahlen der Sonne schienen der Stimme der Vernunft zum Trotz um Ecken zu scheinen. Schritt für Schritt bewegten sie sich auf dem von Wurzeln überwachsenen Weg vorwärts. Alejandro konnte kaum atmen, er blickte unablässig von einer Seite zur anderen und wartete darauf, dass sich der Geist von Eduardo Hernandez aus der Erde erhob. Würde er erneut von Matthews begrüßt werden, dem jungen Soldaten, der durch die Hand seiner Kameraden starb, weil sie befürchteten, er könnte die Pest mit nach Windsor gebracht haben? Oder gar von Carlos Alderon, dem Schmied aus Cervere, dessen bleichen Leichnam Alejandro aus seinem Grab geholt und geöffnet hatte, wodurch seine Flucht durch ganz Europa ihren Anfang nahm?
    Würde Adele erscheinen und mit ihrer süßen Stimme zu ihm sprechen?

    »Die Zeit verstreicht hier immer noch einem unbegreiflichen Maße folgend«, sagte er leise.
    Natürlich war die Frau, die er bei seinem ersten Besuch in der steinernen Kate angetroffen hatte, längst gestorben; schon damals war ihr Haar weiß gewesen und ihr Rücken gebeugt. Alejandro war sich sicher, dass außer ihren Knochen und einem Häufchen Staub nichts weiter von ihr zurückgeblieben war. Gut möglich, dass die Kate verlassen und nicht mehr bewohnbar war.
    In seiner Erinnerung war Mutter Sarah jedoch noch so lebendig wie ehedem. Ihre Rätsel, die ihn dazu veranlasst hatten, über das, was er als Grenzen des eigenen Verstandes

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