Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
Wie langsam vergeht doch die Zeit, seit Du von hier aufgebrochen bist. Es ist, als dehnte sich jede Sekunde zur Minute, jede Minute zur Stunde, jede Stunde zum Tag. Ich vermisse Deine tröstliche Stimme mehr, als ich Dir zu sagen vermag. Jeden Tag, wenn ich unsere Studierstube betrete, hofft mein Herz darauf, Deinen Gruß zu vernehmen, aber stets werde ich enttäuscht.
Vater Guy gewinnt langsam seine Gesundheit und seine Kraft zurück, obwohl sein Gesicht häufig eine Melancholie erkennen lässt, die wohl von der Sorge um Dich
herrührt. Ratten und Pest, sagt er, was für ein kühner Gedanke! Dies führte uns heute bei unserer Arbeit zu einer Erörterung der Ansteckung; er ist fest davon überzeugt, dass sich in der Luft irgendwelche unsichtbaren Dämpfe befinden, irgendwelche giftigen Säfte, die unbemerkt von einem Menschen zum anderen fießen. Es ist eine verwegene Idee, brillant in ihrer Einfachheit, und mir fällt nur schwerlich ein Grund ein, warum ich sie anzweifeln sollte. Wenn ich ihm dies sage, erinnert er mich jedoch daran, dass man eine Theorie niemals ganz und gar verwerfen kann und dass wir uns nicht damit befassen sollten, Gründe zum Zweifeln zu finden, sondern dass wir unsere Gedanken stattdessen darauf zu richten haben, Gründe zu finden, warum wir sie für zutreffend halten. Diese Gründe, so beharrt er, müssen dargelegt werden, denn nur auf diese Weise werden sich andere eine Theorie zu eigen machen. Er hadert mit sich, weil ihm nichts einfallen will, dies zu bewerkstelligen.
Rette Deine Tochter und komm so schnell wie möglich zurück, damit Du Deinen armen Lehrer vor sich selbst retten kannst!
In der Hoffnung, unentdeckt zu bleiben, schlich Chaucer an der Küche vorbei. Er warf einen Blick durch die offene Tür, und just in diesem Moment sah ein Spülmädchen von dem Berg Geschirr auf, der auf dem Tisch vor ihr stand. Er lächelte und winkte ihr zu, da er nicht wusste, was er sonst hätte tun sollen, und das junge Mädchen errötete und sah weg. Er setzte seinen Weg fort, wobei er ziemlich sicher war, sie würde nicht viel Aufhebens davon machen, dass sie ihn hier unten gesehen hatte, wo er nach dem von Kate beschriebenen Durchlass suchte.
Wie eine Tanne geformt, hatte sie gesagt - unten breit und oben schmal.
Er ging weiter und hielt dabei Ausschau nach dem schmalen Seitengang, der nur wenige Schritte nach der Küche abzweigen musste. Er fand ihn exakt an der von Kate bezeichneten Stelle.
Sein Herz begann vor Aufregung schneller zu schlagen, als er in den engen Gang schlüpfte. Er hatte Mühe, etwas zu erkennen, da hier keine Fackeln brannten und er selbst auch keine mitgebracht hatte, weil er damit nur Aufmerksamkeit auf sich gezogen hätte. Er tastete sich an der Wand entlang - die obere Kante des Durchlasses befindet sich ungefähr auf der Höhe Eurer Augen, hatte sie gesagt, auf der linken Seite.
Seine Hände stießen auf eine Einbuchtung in der Wand. »Möge Gott verhüten«, flüsterte er, während er mit den Händen nach oben und unten und beiden Seiten über die Mauer strich, »dass es Drachen gibt, die zwischen diesen Steinen lauern.«
Aber der Durchlass war versperrt. Er entdeckte eine Vertiefung am oberen Rand und schlug kräftig dagegen. Sand und kleine Steine lösten sich und bildeten zu seinen Füßen einen kleinen Haufen, aber als er erneut tastend die Hände ausstreckte, stieß er auf eine solide Mauer. Er trat zurück und wischte sich den Schmutz von den Händen. Die Entdeckung, dass Kates Mauerlücke geschlossen worden war, ließ ihm das Herz schwer werden.
Seine Schuhe und Strümpfe waren mit Staub und Sand bedeckt. Man wird mich fragen, wie das geschehen ist. Er eilte in seine Gemächer, um sich in aller Ruhe zu säubern. An seiner Tür hing eine Botschaft.
»Rasch«, sagte die Nurse, als sie Chaucer vor sich stehen sah. Sie zog ihn nach drinnen und schloss die Tür hinter ihm. »Isabella ist heute unermüdlich auf den Beinen, sie kann sich wegen ihres Kostüms für das Maskenfest oder irgendwelcher anderen unsinnigen Sachen gar nicht mehr beruhigen. Erledigt rasch das, was Ihr zu tun habt, und geht dann wieder, sonst
könnte es schlimme Folgen haben.« Sie deutete mit der Hand auf Kates Schlafgemach.
Chaucer nickte und trat zur Tür. Als Kate ihn hereinkommen sah, erhob sie sich errötend von ihrem Stuhl, einen Strumpf am Bein, den anderen in der Hand.
»Verzeiht«, sagte Chaucer hastig. »Ich bin gekommen, so schnell ich konnte, weil wir uns etwas anderes
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