Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
ihrem Weg sahen sie hier und da den Schein eines Maifeuers; sie ritten an den Stätten des heidnischen Fests vorbei, ohne auch nur einmal anzuhalten, bis sie schließlich an einen kleinen, von Wald umgebenen Fluss gelangten, wo das Pferd ausruhen und trinken konnte. Alejandro stieg zuerst ab, dann half er Kate. Nachdem sie
der unmittelbaren Gefahr entronnen waren, fanden sie endlich Gelegenheit, einander zu umarmen und sich darüber zu freuen, endlich wieder vereint zu sein.
Als es Alejandro schließlich gelang, Kate loszulassen, fragte er: »Hat er dir etwas angetan, Tochter?«
Sie konnte ihm nicht alles erzählen, was zwischen ihr und Benoît vorgefallen war; dafür würde später noch Zeit sein. »Meine Seele war verwundet«, sagte sie, »aber Ihr habt mich geheilt.« Tränen stiegen ihr in die Augen. »Ich kann noch immer nicht glauben, dass Ihr wahrhaftig vor mir steht«, sagte sie. »Ist es möglich, dass wir so lange Zeit getrennt waren und jetzt wieder zusammen sind?«
Alejandro lachte vor Glück. »Ich bin wahrhaftig genug, und es ist tatsächlich viel Zeit vergangen. Sehr viel Zeit. Morgen werde ich es dir beweisen, indem ich dir die grauen Haare auf meinem Haupt zeige.«
»Ich bin sicher, dass sie Euch gut zu Gesicht stehen.«
»Wie dir die Fraulichkeit.« Er hob sie hoch und wirbelte sie freudestrahlend herum, bis ihnen ganz schwindlig war und sie lachen mussten.
Nachdem er sie wieder abgesetzt hatte, blickte die jüngste Tochter Edward Plantagenets dem Mann, der sie liebevoll wie sein eigenes Kind großgezogen hatte, in die Augen. »Sieben Jahre«, sagte sie.
»Beinahe acht!«
»Und nun, da wir wieder vereint sind, kommt es mir vor, als hätte ich Euch erst gestern zum letzten Mal gesehen, und wir wären niemals getrennt gewesen! Wie ist das möglich?«
Alejandro schloss sie erneut in die Arme und drückte sie fast verzweifelt an sich. »Ich bedaure jeden Tag, den wir nicht zusammen verbracht haben. Ich hätte schon viel eher kommen sollen …«
Sie schlang die Arme um ihn. »Ich weiß, dass Ihr eher gekommen wärt, wenn es die Umstände erlaubt hätten.« Dann rückte sie ein wenig von ihm ab und sagte: »Beinahe fürchte
ich mich davor zu fragen - was ist mit meinem Sohn? Ist er gesund und munter?«
»Aber ja!«, rief Alejandro. »Und noch viel mehr als das - ich kann dir gar nicht beschreiben, wie wunderbar er ist. Er hat mir nichts als Freude und Stolz bereitet. Er ist klug und höflich, hübsch, hellhäutig und blond, genau wie du und …«
Er hielt abrupt inne. Nach einem kurzen Moment der Stille beendete Kate den Satz an seiner Stelle.
»Wie Guillaume Karle?«
»Ja«, sagte Alejandro leise. »Wie sein Vater, dessen Namen er trägt. Ich fand, es sei der passende Name für ihn.«
Schweigend gedachten sie des Mannes, der ihr Leben so einschneidend verändert hatte. Schließlich blickte Kate zum Himmel und sagte: »Die Dämmerung naht. Wir müssen weiter. Später, wenn wir in Sicherheit sind, ist noch genug Zeit, von meinem Sohn zu sprechen.«
Alejandro nickte. Sie stiegen wieder auf und setzten ihren Weg fort. Dieses Mal lenkte Alejandro das Pferd nach Osten. Kate gebot ihm Einhalt.
»Père, ich muss es noch einmal sagen: Es ist nicht ratsam, jetzt schon nach Süden oder Osten zu reiten.«
Er hielt das Pferd an. »Aber wir müssen nach Calais, um nach Frankreich überzusetzen.«
»Genau davon werden sie ausgehen. Sicherlich sollten wir uns irgendwann auf den Weg dorthin machen, aber im Moment wäre es besser, wenn wir uns anders verhalten, als sie es erwarten. Es wird ihnen niemals in den Sinn kommen, im Norden nach uns zu suchen.«
»Warum nicht?«
»Weil es keinen Grund für uns gibt, diese Richtung einzuschlagen. Im Norden herrscht die Pest, und Chandos weiß, dass ich das weiß.«
»Chandos …«
Nach kurzem Zögern erwiderte sie: »Der König traut niemandem mehr als Chandos. Er ist es, der uns folgen wird.«
Sie sah die Enttäuschung auf Alejandros Gesicht und verstand. »Er wird es nicht gern tun, Père«, sagte sie sanft. »Aber er ist seinem Herrn ergeben und führt dessen Befehle getreulich aus.«
»Und dein Bruder? Wird er an der Verfolgung teilnehmen?«
»Vielleicht«, erwiderte sie. »Nicht, weil es ihn kümmerte, ob man mich findet oder nicht - er zeigt keine große Neigung, sich mit Staatsangelegenheiten zu beschäftigen. Aber er ist ein Krieger, obgleich mittlerweile ein etwas dicklicher. Wenn er sich daran beteiligt, dann deshalb, weil ihn die Jagd an sich
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