Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
wusste, was der andere dachte - dass ihre Verfolger es nicht wagen würden, diesen Ort zu betreten, und dass die Aussicht auf eine kurze Pause auf ihrer Flucht sehr angenehm war.
»Wir wollen hoffen, dass wir eine Weile hierbleiben können, um uns zu erholen«, sagte er. Er überließ sich erneut der Erinnerung an seine frühere Begegnung mit dem Namen Thomas Blackwell. Gewiss gab es in England viele Thomas Blackwells; es war ein gebräuchlicher Name. Aber auf einen schwarz
beflaggten Ort zu stoßen, der von der Pest verschont worden war, und dort auf den Namen eines Mannes, der ihr zuvor schon einmal entkommen war - das war doch im höchsten Maße seltsam.
»Ihr habt ihre Fährte also verloren?«, fragte Benoît hörbar verärgert.
Sir John war die schrille Stimme des Mannes ebenso zuwider wie alles andere an ihm. Er fragte sich, was de Coucy von der Unverfrorenheit Benoîts halten mochte, seinen höherstehenden Vetter einfach zu übergehen und selbst eine Antwort zu fordern. Er warf einen Blick in Richtung de Coucy, doch nichts an dessen Miene ließ darauf schließen, dass ihn das störte.
Nun ja, sie sind halt Franzosen, dachte der Ritter. Er rief den Meuteführer herbei.
»Graf Benoît wünscht zu wissen, warum wir ihre Fährte nicht mehr finden können«, sagte er, sobald der Mann vor ihm stand.
»Ich weiß es nicht, Mylord. Die Hunde sind verwirrt. Das geschieht selten, aber da der Boden feucht ist wegen des Frühlings …«
Jetzt ergriff de Coucy das Wort und fuhr den Mann wütend an. »Nun, dann führt die Tiere weiter, bis sie ihre Verwirrung überwunden haben!«
Der Meuteführer verbeugte sich hastig und machte, dass er wegkam, ohne Sir John Chandos noch einmal anzusehen. Dieser schickte dem mit besorgtem Gesicht davoneilenden Mann einen leisen Fluch hinterher, obwohl sein Zorn eher de Coucy galt. Der Meuteführer war allerdings nicht derjenige, der dem König Rede und Antwort stehen müsste, falls die Suche erfolglos verliefe, was durchaus geschehen konnte; Chandos selbst würde ihm mit sorgfältig gewählten Worten erklären müssen, warum seine besten Fährtenleser nicht in der Lage gewesen waren, einen Juden und eine junge Frau aufzuspüren.
Zweifellos wusste der König nicht, über welche Fähigkeiten
seine Tochter verfügte; er hatte sie niemals Pfeil um Pfeil ins Schwarze einer Zielscheibe schießen sehen, nachdem sie jeden davon eigenhändig befiedert hatte.
Gänsefedern, hörte Sir John sie mit ihrem reizenden Lächeln sagen, eignen sich am besten. Andere ziehen allerdings die Federn eines Falken vor …
Genauso wenig begriff König Edward in vollem Maße, mit welch scharfem Verstand der Jude im Gegensatz zu ihm gesegnet war. Die Worte, die Chandos zu seiner Entschuldigung vorbrächte, würden wohlbedacht und einleuchtend sein, aber sie würden nicht ganz der Wahrheit entsprechen.
Seine Überlegungen, wie sich ein möglicher Fehlschlag glaubhaft erklären ließe, wurden durch Gebell in einiger Entfernung unterbrochen. Es waren nicht die gewohnten Laute von Hunden, die eine Fährte verfolgten, sondern es klang entschlossener: Die Hunde waren aufgeregt. Er ritt zu der Stelle und sah zunächst nur wedelnde Schwänze, da sämtliche Hunde die Nasen am Boden hatten. Ihre Führer zeigten frohere Mienen, als er sie zuletzt an ihnen gesehen hatte.
Die Enten und Hühner stolzierten im Garten der Blackwells herum, als gehöre er ihnen - und dem Geruch nach zu urteilen, war es wohl auch so, dachte Alejandro. Er wich ihren Ausscheidungen aus, so gut es ging, und folgte dem Knaben. Sie gingen an dem einfachen kleinen Haus vorbei und kamen zu einem Verschlag, um den herum ein Pferch angelegt worden war. In dem Pferch stand ein prachtvoller großer Eber. Durch die Geräusche ihrer Ankunft neugierig geworden, kam eine Sau angetrottet. Sie war offensichtlich trächtig und stand kurz davor, ihren Wurf zur Welt zu bringen. Es musste sich um einen wohlhabenden Haushalt handeln, wenn es getrennte Unterkünfte für die Tiere gab.
»Vater!«, rief der junge Blackwell.
Wenig später erschien ein wohlbeleibter Mann mittleren Alters in der Tür.
»Wir haben Gäste!«, rief der Knabe. Er deutete auf die beiden Reisenden. »Zahlende Gäste!«
Die Miene des Vaters hellte sich auf. Er trat hinaus in den Sonnenschein und trocknete sich die Hände an einem Tuch. »Seid willkommen!«, sagte er freundlich. Er nickte Alejandro und Kate zu.
»Habt Dank«, sagte Alejandro. »Meine Tochter und ich suchen eine
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