Herz klopfte ihr bis zum Hals, und sie sprang auf. Sie versuchte zu pfeifen, aber sie fühlte sich, als wäre sie in einem schlechten Traum gefangen - ihr Mund war plötzlich völlig ausgetrocknet, und ihr verzweifeltes Bemühen führte zu nichts. In schrecklicher Hilflosigkeit musste sie zusehen, wie Lany durch die Lücke im Zaun zurückgezogen wurde und dann aus ihrem Blickfeld verschwand.
Bruce umrundete langsam den Stuhl, auf dem Lany saß. Keiner hatte erwartet, dass die Koalition eine Frau schicken würde; das hatte sie kalt erwischt, genau wie es die Israelis in der alten Zeit kalt erwischt hatte, als die Palästinenser angefangen hatten, Selbstmordattentäterinnen zu schicken. Er schalt sich selbst, weil er so etwas nicht in Betracht gezogen hatte. »Ich frage Sie noch einmal«, sagte er, »wo leben Sie?«
Er erhielt nur Schweigen als Antwort.
»Sehen Sie«, sagte er, »wir wissen doch, was vor sich geht. Ich möchte deshalb nur wissen, welcher Part Ihnen bei der ganzen Sache zufällt.«
Er legte ihre Waffe auf einen Tisch und daneben den Palmtop. Ihre Augen schossen kurz zwischen den Gegenständen hin und her, dann richtete sie ihren Blick wieder nach vorne, ins Leere.
»Gute Waffe«, sagte er, »und recht fortgeschrittene Kommunikationsmittel. Sie müssen gute Transceiver haben. Wie viele von euch sind dort, zweihundert, fünfhundert? Noch mehr?«
Im Geiste zählte sie die Bewohner der beiden verbündeten Kolonien durch und kam auf insgesamt sechsundfünfzig. Angesichts seiner Schätzungen brach sie beinahe in Lachen aus. Sie antwortete nicht auf seine Frage.
»Was hat die Koalition wegen der Deltas geplant?«
Lany, noch immer geradeaus starrend, sagte: »Diese Frage sollte ich Ihnen stellen, finden Sie nicht?«
»Und woher soll ich das Ihrer Meinung nach wissen?«
Endlich blickte Lany zu ihm auf. Das fiel ihr nicht leicht; eines seiner Augen saß schief, die eine Gesichtshälfte war von Narben verunstaltet. An der anderen konnte man erkennen, dass er einmal ziemlich gut ausgesehen haben musste, aber das war lange her. Sie wusste tatsächlich nicht, auf welches Auge sie blicken sollte - und sie fand es unhöflich, sich zu erkundigen, obwohl sie seine Gefangene war und ihm eigentlich eher beide Augen hätte auskratzen sollen.
Die Fragen, die er ihr stellte, ergaben überhaupt keinen Sinn.
»Sie waren auch auf Beobachtungsposten«, sagte sie. Abrupt stand sie auf. »Sie gehören zu ihnen, nicht wahr?«
Einen Moment lang starrte er sie völlig perplex an. Dann verschwand der überraschte Ausdruck von der Hälfte seines Gesichts, die solche Empfindungen noch zeigen konnte. Sie hatte es geschafft, ihn aus der Fassung zu bringen, wenn auch nur für einen kurzen Moment. Das durfte er nicht zulassen. »Nein«, sagte er ruhig. »Aber ich glaube, dass Sie das tun.«
Lany legte den Kopf in den Nacken und lachte schallend. »Gewiss nicht«, sagte sie. »Ich bin hierhergekommen, um zu sehen, was Sie im Schilde führen.«
Wieder fragte er: »Wo kommen Sie her?«
Es dauerte eine Weile, bis Lany die möglichen Antworten abgewogen hatte. »Ich will mal sagen, dass wir keine unmittelbaren Nachbarn sind. Ich lebe in einiger Entfernung von hier. Jemand - ich weiß nicht, wer - hat mir per E-Mail eine Einladung zu diesem Treffen geschickt, und ich wollte herausfinden, was hier vor sich geht.«
Das war gar nicht einmal gelogen; die E-Mail war direkt an
[email protected] adressiert gewesen. Aber der Mann schien ihr das nicht abzunehmen, zumindest nicht ganz. Er nahm ihre Waffe und den Palmtop und ließ sie allein in dem Raum zurück.
Bleib ganz ruhig und warte; vielleicht kommt sie wieder raus. Geh ihr nach. Geh zurück nach Orange. Geh zurück über den Berg und vergiss, was passiert ist.
Janie war völlig durcheinander; das Einzige, was sie mit Bestimmtheit wusste, war, dass sie sich fürs Erste versteckt halten sollte. Eine schonungslose Bestandsaufnahme ihrer eigenen Fähigkeiten und der zur Verfügung stehenden Mittel führte sie zu der schmerzhaften Erkenntnis, dass es heller Wahnsinn wäre, Lany nachzugehen und zu versuchen, sie zu befreien. Sie könnte nach Orange reiten und Hilfe holen, um Lany zu retten, aber was sie eigentlich und aus tiefstem Herzen wollte,
war, schnurstracks über den Berg zu ihrem Sohn und ihrem Ehemann zu reiten.
Von dort aus kann ich Kontakt mit Orange aufnehmen, sagte sie sich. Dort war sie zu Hause, dort war sie sicher, sie gehörte nirgendwo anders hin. Sie faltete