Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
Euren Vater König Edward?«
Sie lächelte bitter und entzog ihm ihre Hand. »Ich denke, Ihr wisst, dass ich nicht ihn gemeint habe.« Sie deutete auf eine steinerne Bank an der Balkonbrüstung, in ausreichender Entfernung von der Tür, hinter der ihre abscheulichen Wächter standen und sie durch das Fenster mit nie nachlassender Wachsamkeit beobachteten.
Sie ließen sich nebeneinander auf der Bank nieder. »Nun«, sagte Kate, »lasst uns keine Zeit vergeuden. Erzählt mir mehr über das Wesen dieser - Historie.«
»Ich weiß gar nicht recht, wo ich anfangen soll, Lady«, erwiderte er. Er beugte sich zu ihr, als wolle er ihr ein Geheimnis anvertrauen. »Wie Ihr wahrscheinlich wisst, diene ich dem König und der Königin bei Gelegenheiten, zu denen ihnen ihre eigenen Bediensteten nicht zur Verfügung stehen. Dies verschafft mir eine - Vertrauensstellung, wie ich wohl sagen kann. Ich erhalte oftmals Kenntnis von Dingen, über die ein Mann meines niedrigen Standes sonst nichts erfahren würde. Neulich wurde ich gerufen, um einen Brief für Euren - für den König zu schreiben. Es versteht sich, dass ich zur Verschwiegenheit über den Inhalt der königlichen Korrespondenz verpflichtet bin.« Er stieß einen tiefen Seufzer aus und betrachtete eine Weile seine Hände. Dann blickte er wieder auf und fuhr fort. »Es bereitet mir großes Unbehagen, das Vertrauen meines Herrn zu enttäuschen, aber unter den gegebenen Umständen darf ich nicht schweigen. Die Folgen könnten … unheilvoll sein, wenn ich es so ausdrücken darf. Der Brief war an Seine Heiligkeit höchstpersönlich gerichtet, deshalb bereitet es mir doppelte Pein … Ich bin ein guter Christ, und ich möchte unter keinen Umständen meine unsterbliche …«
»Ich verstehe«, unterbrach sie ihn ungeduldig. »Ihr habt
Euer Dilemma mit bewundernswerter Eindringlichkeit geschildert.« Mit einem freundlichen Lächeln fügte sie hinzu: »Wie ich sehe, seid Ihr der Sprache noch immer sehr zugetan.«
Chaucer wurde rot. »In der Tat, Lady, ich bitte um Vergebung, aber ich habe das Gefühl, dass ich die Umstände darlegen muss, um meine Sünde zu entschuldigen.«
Kate lachte leise; sie fand Chaucer ungemein unterhaltsam. »Das zeugt von Weisheit.«
»Nach der ich immer strebe. Vielleicht wird sie mir eines Tages tatsächlich zuteil, durch Gottes Gnade und nicht durch eigene Anstrengung. Wie dem auch sei, der Brief, den der König diktiert hat, betraf Eure Schwester und Euch selbst. Der König bittet den Papst um Erlaubnis, ein Verlöbnis zwischen der königlichen Prinzessin und dem Baron de Coucy zu arrangieren, was Euch bereits bekannt ist, aber er trug noch eine weitere Bitte vor - ich weiß nicht, wie die geziemenden Worte lauten, aber es scheint, Ihr sollt ›anerkannt‹ werden, zum Zwecke Eurer …«
Chaucer hielt inne, als er den entsetzten Ausdruck auf Kates Gesicht bemerkte.
»Lady, ist Euch nicht wohl? Bekommt Euch die Nachtluft nicht? Wenn dem so ist, können wir hineingehen …«
Sie wehrte seinen Vorschlag mit einer Handbewegung ab und stand erregt auf. »Das würde er nicht wagen!«
Chaucer erhob sich ebenfalls und sah ihr in die Augen. Seine Stimme nahm einen düsteren Ton an. »Er wagt es in der Tat. Der Brief wurde vor beinahe vierzehn Tagen abgesandt. Seither quält mich die Frage, ob ich mit Euch darüber sprechen soll oder nicht. Ich nehme an, dass er bereits in Avignon eingetroffen ist und dass man über die Angelegenheit berät.«
»Aber warum sollte er … ich meine, welchen Grund gäbe es, mich nach all den Jahren als Tochter anzuerkennen?«
Chaucers Stimme wurde weich. Er überfiel sie nicht gleich mit der ganzen Wahrheit. »Für einen Mann, der seine Macht festigen will, ist eine Tochter ein Werkzeug der Diplomatie. De
Coucy besitzt ausgedehnte Ländereien in Frankreich, wie Ihr wohl wisst, ebenso wie seine Familie - insbesondere ein Vetter, ein gewisser Graf Benoît. Er ist hier, unter den Festtagsgästen. Unser König erhebt noch immer Anspruch auf den französischen Thron, und um diesen Anspruch durchzusetzen, benötigt er die Unterstützung des französischen Adels. Und was wäre da besser, als sich bei dem Herrscher über einen Besitz, der so groß ist wie der von de Coucy, lieb Kind zu machen?«
Er warf erneut einen Blick zu den Wachen. Die taten so, als interessierten sie sich in keiner Weise für das trauliche Gespräch, das vor ihren Augen stattfand. »Benoît ist ein Schurke … Warum jemand Wert auf die Verwandtschaft mit
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