Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
ihm legen sollte, übersteigt meinen Verstand. Aber de Coucy scheint ihm sehr zugetan, aus welchem Grund auch immer. Die Ländereien der Familie Benoît liegen in der Bretagne und werden in ihrer Ausdehnung dort nur von denen der Familie de Rais übertroffen. König Edward würde einen Aufruhr herbeiführen, wenn er könnte, denn ein Zerwürfnis zwischen den einzelnen Lehnsherren käme ihm bei seinem Streben nach dem Thron von Frankreich äußerst gelegen. Ich vermute jedenfalls - Ihr mögt mir verzeihen -, dass der König all dies mithilfe einer weiteren Heirat bewirken will. Und dafür benötigt er eine weitere Tochter.«
Sie ging nicht auf die Anspielung auf eine weitere Heirat ein, aber ihre Stimme klang düster, als sie sagte: »Es könnte sehr gut de Coucy selbst gewesen sein, der das Schwert gegen den Hals meines Mannes gerichtet hat.«
»Ich weiß, Lady, und es betrübt mich, in Eurer Gegenwart über ihn zu sprechen.«
Kate schwieg einen Moment. »Der König hat der Diplomatie bereits eine Tochter geopfert«, sagte sie dann. »Ich war damals noch ein kleines Mädchen, aber ich kann mich gut an das Klagen und Jammern bei Hofe erinnern, als Joanna auf ihrer Brautreise von der Pest dahingerafft wurde! Als die Nachricht von dem Unglück eintraf, schien die Nurse untröstlich; sie war
die Einzige in ganz Windsor, die gut zu mir war, und ihr unermesslicher Kummer machte mir Angst.«
Sie hielt kurz inne, um einen Blick zum Himmel zu werfen. »Ich habe seither am eigenen Leib erfahren, was es heißt, solchen Kummer zu leiden.«
Chaucer streckte zögernd die Hand aus und ergriff die ihre. Sie entzog sie ihm nicht. »Man sagt, Euer Gemahl sei ein tapferer Mann gewesen.«
Sie sah ihm in die Augen und entdeckte darin Mitgefühl und Wärme. »Tapferer, als die meisten jemals ahnen werden. Aber die Geschichte wird nur von de Coucy erzählen und wie er in dieser Schlacht den Thron gerettet hat. Man wird sich nicht daran erinnern, dass mein Mann sein Leben hingab, um die Fesseln der Knechtschaft zu zerreißen, unter denen seine Landsleute lebten. Sein Vermächtnis ist verloren.«
»Abgesehen von seinem Sohn.«
»Sein Sohn«, flüsterte sie mit bitterer Stimme. »Ich habe sein Kind - mein Kind - seit dem Tag seiner Geburt nicht mehr gesehen.«
»Einen solchen Verlust kann jemand, der ihn nicht erfahren hat, nicht nachempfinden.«
»Die Weisheit, nach der Ihr strebt, scheint Euch bereits zuteilgeworden zu sein, Master Chaucer.« Sie sah hinunter auf das Dach der Kapelle. »Ihr erweist Euch in einer Zeit der Not als treuer Freund.« Dann drehte sie sich zu ihm und sah ihm in die Augen. »Ich würde gern wissen, was Euch dazu veranlasst, etwas so Gefährliches und Verbotenes zu tun.«
Chaucer dachte kurz nach. »Ich will Euch die Wahrheit sagen - auch wenn sie Euch merkwürdig erscheinen mag. Ich empfand große Bewunderung für Euren Père, als er in Paris war. Er hat etwas überaus Achtbares an sich, nahezu Edles. Er ist ein beeindruckender Mann, und ich hegte große Bewunderung für ihn. Er behandelte mich freundlich - weitaus besser, als Prinz Lionel und Lady Elizabeth es getan haben.«
»Wurdet Ihr bestraft für das, was geschah?«
»Nein. Lady Elizabeth war verärgert, aber zugleich war sie beschämt, was die Ereignisse dieses Nachmittags anging. Sicherlich war es ihre eigene Schuld - sie tändelte schamlos mit Eurem Père, und wenn sie auch nur ein klein wenig Verstand besäße, hätte sie in ihm jenen Mann von Ehre erkannt, der er ist. Sie hätte begriffen, dass er sich nicht auf eine Liebschaft mit einer verheirateten Frau einlassen würde, dass das Ganze nur eine Scharade war.« Nach einem kurzen Zögern setzte er hinzu: »Darf ich offen sprechen, Lady?«
Dank seiner Aufrichtigkeit ließ ihre Anspannung etwas nach. »Ein treuer Freund darf das stets, Chaucer. Sprecht frei heraus, ich bitte Euch.«
»Sie war entsetzt, als sie erfuhr, dass ein Jude sie berührt hatte, obwohl sie zur fraglichen Zeit nicht gewusst hatte, dass er ein Jude ist. Sein Aussehen ist so …«
»Gewöhnlich?«, sagte Kate.
»In der Tat. So unauffällig. Ganz und gar nicht das eines Juden. Ja, er ist ansehnlich und stattlich, viel größer als alle anderen Juden, denen ich bisher begegnet bin. Und er zeigt ein solch feines Benehmen, beinahe schon übertrieben …«
»Nun, er ist ein Mensch. Juden sind keine Tiere, dessen kann ich Euch versichern. Er legt mehr Wert auf Sauberkeit als irgendjemand sonst. Hier machen sich alle über
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