Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
Chandos’ Pferd stand. Bevor er wusste, wie ihm geschah, hatte Chandos sein Messer gezogen und ihm an der Wange zwei Schnitte in Form einer Pfeilspitze beigebracht. Blut sickerte aus den Wunden; der Mann presste erschrocken die Hand darauf, um die Blutung zu stillen. Dann zog er seine Hand zurück und betrachtete sie voller Entsetzen, um anschließend wieder Chandos anzusehen.
»An diesem Mal werde ich dich erkennen, wenn ich dich jemals wieder auf dem Land Seiner Majestät antreffen sollte«, sagte Chandos. »Und jetzt mach, dass du wegkommst, bevor ich meinen Entschluss, dich gehen zu lassen, ändere.«
Der Mann drückte seinem Maulesel die Fersen in die Seiten. Das Tier stieß einen Schrei aus und trabte los, diesmal in Richtung Westen. Der Bettler verschwand im Unterholz, so wie Kate es zu Beginn des Ausritts gern getan hätte. Sie blickte ihm voller Neid nach. Als er schließlich nicht mehr zu sehen war, drehte sie sich wieder zu Chandos um. Der Ritter saß reglos auf seinem Pferd, und auf seinem Gesicht lag ein harter Ausdruck.
Mein einziger Verbündeter außer Chaucer, dachte sie, als sie ihm zusah, wie er sein Pferd wendete.
Als die Mahlzeit beendet war, erhoben sich die Nonnen vor ihren Gästen vom Tisch und begannen die leeren Schüsseln abzuräumen.
»Nun, Guillaume, das war ein wahres Festmahl, nicht wahr?«
»Ja, Grand-père.« Der Knabe rieb sich die Augen.
»Du musst sehr müde sein. Es war ein langer Tag.«
»Ja, Grand-père«, sagte er erneut.
»Und du bist sehr folgsam.«
»Ja …« Guillaume hielt inne und lächelte ob seiner ständigen Wiederholung.
»Lass uns einen Platz suchen, an dem du dich hinlegen kannst.« Sie erhoben sich von der Bank und liefen ihren Reisegefährten nach, die zielstrebig einem der Mönche gefolgt waren. Als sich ihre Prozession im Schein der Fackel, die der Mönch an der Spitze in die Höhe hielt, durch die engen, dunklen Gänge des Klosters bewegte, kam ihnen eine der Nonnen entgegen. Die Frau ging langsam, darauf bedacht, nichts von dem dampfenden Wasser zu verschütten, das sie in einer Schüssel vor sich hertrug. Unter ihrem Arm steckte ein zusammengefaltetes, mit Spitze besetztes weißes Tuch, vermutlich ein Handtuch.
Alejandro versuchte, ihren Blick auf sich zu ziehen. Sie ging jedoch ruhig und mit gesenktem Kopf an ihm und den anderen vorbei. Schließlich blieb sie stehen und klopfte an eine Tür. Alejandro vernahm eine gedämpfte Antwort. Die Nonne stützte die Schüssel mit der Hüfte ab und öffnete mit einer Hand die Tür. Als er sich umdrehte, sah er sie gerade noch in eine hell erleuchtete Kammer schlüpfen und hörte sie sagen: »Voici l’eau chaude, Mademoiselle.«
Alejandro blieb stehen; sie waren die Letzten gewesen, deshalb versperrte er niemandem den Weg. Guillaume blieb ebenfalls stehen, Alejandro klopfte ihm jedoch auf die Schulter und sagte: »Geh weiter, mein Kind, ich komme bald nach.«
Der Knabe gehorchte, wenn er es auch widerstrebend tat und sich im Weggehen noch einige Male nach seinem Großvater umdrehte. Alejandro blieb an der gleichen Stelle stehen und lauschte dem Gespräch, das hinter der Tür geführt wurde. Zwei Frauen - die Nonne, die er hatte hineingehen sehen, und eine zweite, unbekannte Frau mit einer klaren, hellen Stimme
- unterhielten sich über weibliche Angelegenheiten. Er fragte sich, ob die jüngere Stimme einer Novizin gehörte, die auf ihr Gelübde vorbereitet wurde. Wie seltsam, dachte er, dass sie ihre jungen Frauen ein Leben in der Abgeschiedenheit eines Klosters führen ließen, wenn diese doch hätten Kinder bekommen und großziehen können!
Er hörte Wasser plätschern und nahm an, dass die junge Frau ein Bad nahm, während ihr die ältere Nonne aufzuwarten schien. Der Gedanke gefiel ihm, und er lächelte vor sich hin.
Er lauschte noch eine Weile, aber er vernahm nichts mehr von Belang. Als das Plätschern verstummte, überlegte er, dass er sich besser davonmachen sollte, da die Nonne vermutlich ihre Pflichten erfüllt hatte und jeden Moment durch die Tür treten und ihn ertappen konnte.
Der Klang ihrer Stimmen hatte jedoch etwas seltsam Beruhigendes. Nur noch ein paar Worte, sagte er sich. Und wenn sie an die Tür kommt, tue ich so, als ginge ich gerade zufällig vorbei.
»Hier ist Euer Handtuch, Mademoiselle«, hörte er die Nonne sagen.
»Danke.« Dann blieb es eine Weile still - wahrscheinlich trocknete sie sich ab -, bevor die jüngere Frau hinzufügte: »Diese Spitze ist wunderschön. So
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